[Explizit] Ein Traum voller Angst und Verwirrung

Albtraum

“Es war nur ein Traum!”, denke ich, als ich schwer atmend erwache. Es ist noch dunkel, doch ich kann nicht mehr schlafen. Der Traum hat mir Angst gemacht und mir gezeigt, was mich offenbar in der Transition unterbewusst noch immer beschäftigt.

Die Sonne scheint, es ist warm. Ich betrete den in schlichtem Weiß gehaltenen Flachbau, der sich als Klinik entpuppt. Das Ambiente ist ein wenig unbehaglich. Eine seltsame Energie liegt in der Luft, ohne dass ich sie näher beschreiben könnte. Viele Menschen wuseln herum. Es wirkt chaotisch. Dann fällt mir ein, weshalb ich eigentlich hier bin. Für eine Operation. Allem Anschein nach für meine Korrektur-OP. Das Personal ist freundlich, doch irgendwie geht alles nicht so recht vorwärts. Ich werde von Punkt A zu Punkt B begleitet, verliere den Zeitplan aus den Augen und erschrecke kurz, als ich denke, das Aufklärungsgespräch verpasst zu haben. Doch bis dahin sind es noch ein paar Stunden und ich verbringe etwas Zeit auf meinem Zimmer, in dem Personal ein- und ausgeht – wie in einem Taubenschlag.

Es gibt vor dem Eingriff noch einige Dinge zu klären und so laufe ich wenig später durch die Gänge der engen Klinik, um den Arzt zu finden, zu dem ich gehen soll. Gerade laufe ich durch den Eingangsbereich, als lautes Geschrei ausbricht. Menschen rennen umher, flüchten zum Hinterausgang. Irgendjemand drängt mich, mitzukommen. Ich verstehe die Welt nicht mehr, blicke aber aus der breiten Glastür am Eingang der Klinik und erkenne in der Ferne eine gute Hand voll vermummter, irgendwie bewaffneter Männer auf die Klinik zustürmen. Aus dem Stimmengewirr werde ich gewahr, dass hier gerade ein Angriff läuft. Ein tödlicher Angriff auf die Klinik und vor allem: auf uns trans Personen. Denn diese Klinik scheint auf diesen medizinischen Bereich spezialisiert zu sein.

Das Grauen überkommt mich. Dieser blanke Hass auf Menschen wie mich, lässt mir das Blut in den Adern gefrieren. Ich werden fortgezerrt. “Renn! Die bringen dich sonst um!”, schreit mich eine Frau an. “RENN!” Ich stolpere zur Hintertür hinaus, klettere in Todesangst durch einen kaputten Zaun, blicke nicht zurück. “Was wird nun aus den anderen?”, denke ich noch, als ich so schnell laufe, wie ich nur kann. Eine riesige Betonbrache erstreckt sich vor mir, ich muss über offenes Gelände laufen. Ich renne. Die Schreie werden leiser. Meine Füße schwer wie Blei. Jeden Moment kann mich eines dieser Monster erwischen und dann war’s das für mich! Die anderen sind mir weit voraus und nach mir scheint es niemand mehr geschafft zu haben. Angst, ich fühle nur noch Angst.

Ich erreiche eine Anhöhe, hinter der Industriegebäude und Maschinen etwas Schutz bieten. Ich biege um eine Ecke, aus dem Sichtfeld der Klinik. Niemand ist mir gefolgt. Scheinbar habe ich mich in Sicherheit bringen können…

Schnitt.

Ich liege in einem kuscheligen Bett mit dicken Daunendecken. Warm eingepackt und behütet. Das Licht ist dämmrig. Ich bin nicht allein. Eine Frau liegt neben mir und hält mich im Arm. Sie ist nackt. Ich fühle mich geborgen. Ich kenne sie noch von früher. Ich bin verwirrt, kann noch nicht so recht begreifen, wo ich bin und warum. Plötzlich beugt sie sich über mich und beginnt, mich leidenschaftlich zu küssen. Wir wälzen uns durch die Laken und fallen beinahe aus dem Bett. Es ist ein lustvoller Moment, der jedoch kurz darauf jäh unterbrochen wird. Etwas in mir, etwas Altes, übernimmt wie ein Autopilot die Führung und möchte mit dieser leidenschaftlichen Frau schlafen – stupiden, penetrativen Sex haben.

Augenblicklich wird uns beiden klar, dass das natürlich gar nicht geht und ein tiefes Unwohlsein überkommt mich. Nicht, weil “es” nicht geht, nein. Sondern, weil ich in eine Falle getappt war, die mir mein Unterbewusstsein gestellt hatte. Die Stimmung war dahin, denn ich hatte nicht damit gerechnet, dass diese alten, männlich typisierten Verhaltensweisen aus einem früheren Leben noch so tief sitzen würden. So schön dieser Traumabschnitt begonnen hatte, so ernüchtert ließ er mich am Ende zurück…

Erwacht in der Nacht

Ich schlug die Augen auf. Ich hörte ein Auto die Straße in der Nähe entlang fahren. Ansonsten war da nur Dunkelheit und Stille.
Nun lag ich also da. Aus dieser Abfolge beängstigender und seltsamer Träume erwacht. Ich drehte mich auf die Seite und zog mir die Decke über die fröstelnde Schulter. Was wollten mir diese Träume denn nun bitte sagen?

Mit ein wenig zeitlichen Abstand denke ich, der erste Teil war eine unheilvolle Mischung aus meinen seelischen Vorbereitung auf die Korrektur-OP und die letztwöchige Folge vom ZDF Magazin Royale, in dem eine Rede von Beatrix von Storch (AfD) im Bundestag wiederholt wurde, die sie vormals bei einer Debatte über die Abschaffung des TSG hielt und bei der mir ob dieses tollkühnen Unverständnisses und Hasses gegenüber trans Personen die Tränen über das Gesicht liefen. Das kam letzte Woche alles wieder hoch und es macht mir zeitweise etwas Angst, wie feindselig Menschen queeren Personen gegenüber eingestellt sein können – vor allem, wenn man all die tragischen Todesopfer bedenkt, die aus queer-/trans-feindlicher Gewalt resultieren.
Ja, ich kämpfe öffentlich sichtbar für unsere Rechte und um unseren Platz in der Gesellschaft und werde mich auch von ein diesen Nazis nicht davon abhalten lassen, aber wie dieser Traum zeigt, schwingt bei allem Engagement bisweilen doch eine gewisse Angst mit.

Was den zweiten Teil des Traumes betrifft, so sehe ich das noch nicht so klar. Ja, “das erste Mal” nach der GaOP ist schon irgendwie ein Thema für mich. Es ist alles neu und tatsächlich fühle ich mich in dem Punkt wie ein Teenager, der keine Ahnung hat, was jetzt eigentlich genau Sache ist. Und diese aufkeimende – mir wird schon fast schlecht, wenn ich nur an das Wort denke – “Männlichkeit” in meinem Traum, ist natürlich zentraler Ausdruck dessen, was mich bei jeder Episode der Gender-Dysphorie beschäftigt und runterzieht. Das ist der innere Kampf, den ich noch zu befrieden habe: die weiblichen und männlichen Anteile, die wir Menschen alle in uns tragen, in ein stimmiges Gleichgewicht zu bringen, anstatt die männlichen Anteile, mit allem was ich habe, zu bekämpfen. Doch dieser Traum hat mir gezeigt, dass ich an diesem Punkt noch nicht bin. Zu sehr lehne ich diese Anteile in mir noch ab, sie widern mich zeitweise zutiefst an. Auch wenn sie für Außenstehende mitunter gar nicht mehr so sichtbar sein mögen. Stichwort “Wann ist (m)eine Transition eigentlich beendet?

Vielleicht ist dieser Traum sogar eine stimmige Ergänzung zu meinem Artikel über das Ende der Transition. Ich bin der Meinung, dass sie nicht beendet sein kann, solange ich, wie oben beschrieben, noch nicht mein Gleichgewicht gefunden habe und weiterhin wie eine Rakete gen Weiblichkeit strebe. Denn gefühlt sind die männlichen Anteile in einigen Bereichen noch viel zu dominant und lassen die Waage daher in die “falsche” Richtung kippen.

Doch daran arbeite ich. Jeden Tag. Manchmal tut es weh. Manchmal erfüllt es mich mit Glück. Und meistens bin ich stolz auf mich.
Wie zuletzt gestern Abend bei einer Weihnachtsfeier in der Firma: ich hatte mich zwecks heutiger Bartepilation 5 Tage lang nicht rasieren können und war natürlich nicht in der Lage, das mit MakeUp adäquat zu verdecken. Aber wisst ihr was? Zwar war mir das noch ein wenig unangenehm, aber ich traute mich so tatsächlich ins Büro. Ohne Maske. Und es störte wirklich niemanden und nach kurzem Zögern wagte ich mich sogar auf Gruppenfotos – was ich vor einigen Monaten niemals, nie, never ever gemacht hätte.

Und darauf bin ich stolz. Auf diesen Fortschritt. Auf die zunehmende Entspannung.

So sehr mir der heutige Traum auch zugesetzt haben, denke ich dennoch, dass er wertvolle Nachrichten für mich im Gepäck hatte, um in meiner Transition einen weiteren Schritt zu gehen…

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