Wann ist (m)eine Transition eigentlich beendet?

Endlich frei!

“Wann ist (m)eine Transition eigentlich beendet?” Diese Frage prasselte in der vergangenen Woche einige Male auf mich ein. Bis dahin dachte ich auch, ich hätte meine Antwort gefunden, doch einige anderen Blickwinkel ließen mich meine bisherige Ansicht überdenken.

Schon seit einer gefühlten Ewigkeit gab es für mich eine Gewissheit in Bezug auf meine Transition: sie würde erst dann zu Ende sein, wenn ich mit allen medizinischen Maßnahmen fertig sein würde. Nach heutigem Stand der Dinge wäre das nach meiner Korrektur-OP, dem Brustaufbau, einer Gesichtsfeminisierung, der eventuellen Stimm-OP und – streng betrachtet – nach dem Ende der Bartepilation. Insbesondere letzteres würde aber bedeuten, dass sich meine Transition noch locker 5 Jahre hinzieht und das fühlt sich nicht stimmig an. Daher schloss ich die Bartepilation als unmittelbares Kriterium für das Ende der Transition für mich aus. Mit dieser Definition war ich bislang sehr zufrieden.

Anfang letzter Woche fand dann ein Workshop unseres DEI-Teams (Diversity, Equity & Inclusion) statt, zu dem ich auch eingeladen war. Eine Kollegin führte mich als inspirierendes Beispiel für Einblicke in das Leben queerer Menschen an und sagte dabei in einem Nebensatz sinngemäß: “Julia hat ja hier ihre Transition durchgeführt”. Mir fiel sofort die Form ihrer Äußerung auf: die vollendete Vergangenheit. Auf Basis meiner eigenen Definition passte das aber nicht und so korrigierte ich sie freundlich. Ich sei noch mitten in der Transition.
Dennoch ließ mich dieser Nebensatz nicht los. Meine Außenwirkung ist also offenkundig eine total andere, als meine eigene Wahrnehmung. Als ich diesen Gedanken in weiteren Gesprächen teilte, wurde mir diese Außenperspektive wiederholt bestätigt: “Schau dich halt an, du bist doch fertig!” So hatte ich das noch nie gesehen. Mir kamen erste Bedenken in Bezug auf meine bisherige Definition des Endes meiner Transition.

Verstärkt wurden diese dann noch nach einem Gespräch mit einer Freundin. Für sie ist ihre Transition nach der GaOP beendet. “Alles weitere (Brustaufbau, etc.) sind für mich Schönheits-OP’s.” Diese Haltung ließ mich stutzen. Interessante Perspektive. Und auch eigentlich gar nicht so abwegig. Möglicherweise sogar gesünder und weniger “verbissen” als meine Haltung.

Wann also ist eine Transition beendet?

Ich denke, eine allgemeingültige Definition dafür gibt es nicht. Jede*r Betroffene muss eine eigene Definition dafür finden und die ist so individuell, wie unser Fingerabdruck.

Für mich ganz persönlich hat das Ende der Transition aber noch eine andere Dimension: ich hatte mir nämlich überlegt, mein geplantes Buch über die Transition (Arbeitstitel: “Schmetterlinge weinen nicht”) erst dann zu verfassen, wenn ich mit der Transition fertig sei. Um möglichst viele Eindrücke und Perspektiven einfließen lassen zu können. Dazu sollten auch alle OP’s zählen. Auf Basis der kürzlichen Gespräche bin ich mir da allerdings nicht mehr ganz so sicher. Vielleicht ist es auch ein gutes Kapitelende, wenn das Buch nach der im Februar angesetzten Korrekur-OP beginnt und noch Raum für Entwicklung und Fantasie lässt.

Eine Entscheidung über eine mögliche neue Definition kann ich euch an dieser Stelle noch nicht geben – zu viel geht mir dazu noch durch den Kopf. Ich denke auch, das Ende einer Transition muss man fühlen. So wie ich das Ende der Zeit in der Gruppentherapie oder bei der Logopädie gespürt habe. Und das tue ich in Bezug auf die Transition aktuell noch nicht.

Dieser Zeitpunkt wird aber kommen und ihr werdet natürlich an dieser Stelle davon erfahren. 🙂

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One Thought to “Wann ist (m)eine Transition eigentlich beendet?”

  1. […] Was den zweiten Teil des Traumes betrifft, so sehe ich das noch nicht so klar. Ja, “das erste Mal” nach der GaOP ist schon irgendwie ein Thema für mich. Es ist alles neu und tatsächlich fühle ich mich in dem Punkt wie ein Teenager, der keine Ahnung hat, was jetzt eigentlich genau Sache ist. Und diese aufkeimende – mir wird schon fast schlecht, wenn ich nur an das Wort denke – “Männlichkeit” in meinem Traum, ist natürlich zentraler Ausdruck dessen, was mich bei jeder Episode der Gender-Dysphorie beschäftigt und runterzieht. Das ist der innere Kampf, den ich noch zu befrieden habe: die weiblichen und männlichen Anteile, die wir Menschen alle in uns tragen, in ein stimmiges Gleichgewicht zu bringen, anstatt die männlichen Anteile, mit allem was ich habe, zu bekämpfen. Doch dieser Traum hat mir gezeigt, dass ich an diesem Punkt noch nicht bin. Zu sehr lehne ich diese Anteile in mir noch ab, sie widern mich zeitweise zutiefst an. Auch wenn sie für Außenstehende mitunter gar nicht mehr so sichtbar sein mögen. Stichwort “Wann ist (m)eine Transition eigentlich beendet?” […]

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