Sich selbst füllende Löcher und neue Perspektiven

shallow focus of sprout

Dies ist ein Artikel über das Leben. Über die Höhen und Tiefen. Und über mögliche neue Wege.

Ihr Lieben,

vor einer Weile berichtete ich über das große Loch, das sich nach dem Ende meiner Transition vor mir auftat, weil plötzlich das große Lebensziel erreicht war.
Es brauchte einige Zeit, viele Gedanken und Gespräche, um wieder etwas Boden unter den Füßen spüren zu können und etwas zu finden, das dieses große Loch potenziell füllen konnte. Ich streckte meine Finger in viele Richtungen aus: soziales Engagement für trans Personen, Intensivierung meines Reitunterrichts, mehr Zeit für mein Buch und meine Lieben oder ein Masterstudium in Psychologie oder ähnlichem. Doch DIE Antwort war bisher nicht dabei. Stattdessen passierte, was immer dann passiert, wenn man einen dicken Stein aus einem vollen Glas Wasser nimmt: Es strömt Wasser nach und füllt die Lücke.

Und so war es auch bei mir. Allerhand organisatorische Dinge traten auf den Plan, um die es sich zu kümmern galt. Nicht nur für mich, sondern auch für Menschen in meiner Familie. Denn langsam komme ich in ein Alter, wo Eltern, Onkel und Tanten körperlich abbauen und hier und da Unterstützung brauchen. Und so blieben sogar Schreibprojekte, wie mein geplanter Artikel über die Missstände in Bezug auf die gesundheitliche Versorgung von trans Personen, auf der Strecke und schlummern im Entwürfe-Ordner.

Relativ spontan und unerwartet tat sich dann vor Kurzem ein dunkles, tiefes Loch innerhalb meiner direkten Familie auf. Es geht sehr essenziell um das Thema Gesundheit, mehr möchte ich an dieser Stelle dazu gar nicht schreiben. Es ist für diesen Artikel nur wichtig, dass dieses Thema viele mentale, zeitliche und materielle Reserven innerhalb der Familie benötigt, um gemeinsam bewältigt zu werden. Dieses Thema füllt die Reste meines entstandenen Loches aktuell vollständig aus. Ich brauche mich also nicht mehr über mangelnde Ziele zu beklagen. Be careful what you wish for!

Doch obgleich hier vor Ort – ich schreibe diese Zeilen in einer kleinen, verregneten Stadt westlich von London – eine sehr schwere Energie herrscht, möchte ich diesen Artikel nicht von ihr überdeckt wissen. Hoffnung durchbricht die Fensterscheiben gerade in Form von gleißendem Sonnenlicht, das sich einen kurzen Fleck zwischen all den dunklen Wolken gesucht hat. Es erhellt den Raum und die Seele.

Außerdem kam gestern ein Thema zu mir zurück, das mich schon seit Jahren beschäftigt, das ich jedoch aus verschiedenen Gründen bisher noch nicht in die Tat umzusetzen wusste: Coaching. Oder genauer gesagt: eine Coaching-Ausbildung. Ich spiele wie gesagt seit Jahren mit dem Gedanken, eine solche Ausbildung zu machen, weil mich die Themen wahnsinnig interessieren. Und sie würde das, was ich privat in tiefen Gesprächen und im Job mit dem Agile Coaching ohnehin schon intuitiv mache, auf solide theoretische Füße stellen und untermauern. Wie es manchmal eben geschieht, erwähnte eine Kollegin in einem Termin ihre Coaching-Ausbildung am Rande und brachte damit in mir etwas zum Klingen, zumal das Thema nunmehr auch für meinen Job relevant geworden ist. Sie empfahl mir ihre Coaching-Ausbildung an der Uni Köln, deren Infomaterial mich schon beim Überfliegen überzeugt hatte. Die dort vorgestellten Lehrmethoden, Themen und Grundwerte der Ausbildung begeisterten mich, sodass ich am liebsten direkt begonnen hätte.

Doch da selten im Leben etwas sofort und ohne Umschweife funktioniert, muss ich mich auch hier in Geduld üben und Mittel und Wege finden, diese Ausbildung zu finanzieren und zeitlich zu organisieren. Doch das sind vergleichsweise banale Hindernisse, die ich gerne in Kauf nehme, um meinen alten Traum von einer fundierten Coaching-Ausbildung wahr werden zu lassen. Beim Gedanken daran bekomme ich Bauchkribbeln. 🙂

Was ich am Ende davon haben werde? Am Wichtigsten ist: Ich weiß, dass es das Richtige für mich ist, auch wenn ich den vollen Nutzen heute noch nicht erkennen kann. Mein Bauchgefühl ist da super eindeutig. Im Wesentlichen werden es aber sicher (Selbst-)Erkenntnis und Werkzeuge sein, um anderen Menschen noch besser helfen zu können. Privat und im Job. Eigentlich in allen Lebensbereichen. Und wer weiß, was sich sonst noch daraus ergeben mag? Oft genug entstehen bei solchen Gelegenheiten spannende neue Netzwerke und Optionen, das Leben bunt und vielfältig zu bereichern. 🙂

Bunt und vielfältig möchte ich diesen Artikel daher auch beenden und blicke noch einmal hinaus aus dem sonnendurchfluteten Fenster. Hinüber auf die rote Backsteinfassade im englischen Stil, das kleine Spitzdach über der schneeweißen Haustür mit der goldfarbenen Ziffer „3“ in der Mitte und einer handgeschriebenen Notiz für den Postboten darüber. Friedlich scheint es da draußen zu sein …

Alles Liebe, bleibt gesund!
Eure Julia

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