Liebes Tagebuch, heute geht es mir etwas besser als gestern, merke aber dennoch wie mein Energielevel durch die Arbeit im Augenblick wieder rapide sinkt und damit auch die Motivation, nach Feierabend noch etwas zu unternehmen.

Dennoch hatte ich heute im Laufe des Tages wiederholt Probleme, mich ungeschminkt und zudem noch ungeschminkt im Spiegel zu sehen. Einmal keimte gar massiver Selbsthass auf, der mich ziemlich überwältigt hat. Uff. Ganz ehrlich, so langsam erscheint mir die Wartezeit bis zur Hormontherapie nicht mehr so annehmbar. Ich würde am liebsten sofort damit starten…dieser Mensch im Spiegel bin nicht ich!

Da half auch nicht, mich direkt morgens inklusive Perücke weiblich anzuziehen. Was mir aber dennoch gefallen hat, ist eine kleine Veränderung den Haaren. Zwar ist es weiterhin nur eine Perücke, aber das Zusammenbinden zu einem Dutt macht viel aus. Außerdem hängen mir beim Essen nicht mehr die Haare im Gesicht…unglaublich…diese ganzen Basics, die Mädchen schon im Kindesalter lernen, muss ich mir jetzt hart erarbeiten. Nachteil am Dutt: man sieht von der Seite meine für meinen Geschmack viel zu männliche Silhouette zu stark. Mit offenen Haaren konnte ich das viel besser kaschieren. Blöd.
Naja…jedenfalls verbrachte ich den ganzen Arbeitstag daheim in diesem Outfit und fühlte mich gut damit – solange ich eben nicht in den Spiegel sah.

Apropos lernen: ich lerne gerade, in Pumps zu laufen und finde das super schön. Allerdings lerne ich auch, dass ich darin offenbar eine halbe Schuhgröße mehr haben muss, denn nach 10 Minuten werden meine Füße taub…ich denke, ich schicken dieses Paar zurück. Schade eigentlich, denn Pumps in 44 und größer zu finden, ist schon eine gewisse Herausforderung und von allem teuer.

Themenwechsel: Psychotherapie & zeitliche Planung. 

Ich erhielt heute einen Anruf meiner bevorzugten Therapiepraxis in Düsseldorf. Sie bestätigten mir einen Termin für ein Erstgespräch am 25.08. Einerseits: juhu! Andererseits: das ist echt noch lange hin.
Die Dame am Telefon, die mich zu meiner Freude schon mit „Frau“ ansprach, äußerte allerdings Bedenken bezüglich einer zeitnahen Therapie, da ich bis vor Kurzem wegen Schlafstörungen in einer anderen Therapie war und von Seiten der Krankenkasse normalerweise 2 Jahre pausieren müsste. 2 Jahre!!!
Ich fiel beinahe vom Stuhl…2 Jahre! Undenkbar, jetzt noch 2 Jahre ohne jegliche Begleitung und medizinische Maßnahmen auskommen zu müssen!

Auf ihren Rat hin rief ich meine Krankenkasse an und schilderte mein Problem. Laut einem freundlichen Mitarbeiter an der Service Hotline sollte das aber kein großes Problem sein, da die Indikation eine andere sei. Mein Therapeut solle „nur“ ein entsprechendes Gutachten verfassen, um die zeitliche Sperre umgehen zu können. Da wird er sich aber freuen, denn so ein Gutachten ist sicherlich nicht mal eben geschrieben…

Dennoch habe ich die heutigen Ereignisse mal zum Anlass genommen und überlegt, wie denn der weitere zeitliche Verlauf sein könnte.
(Anm. d. A.: Spoileralarm von der Zukunfts-Julia: natürlich kommt immer alles anders, als man denkt…)

Also…der erste Fixpunkt ist mein Termin zum Erstgespräch Ende August.
Der Antrag auf Psychotherapie könnte dann eventuell schon Anfang September zur Krankenkasse und nach einmonatiger Prüfung und hoffentlich Zusage könnte ich dann mit etwas Puffer im November mit der Therapie beginnen.
Laut allem, was ich bisher so gelesen habe, dauert es im Schnitt 6 Monate, bis man die Indikation für eine Hormonersatztherapie (HET / engl. HRT – die englische Abkürzung gefällt mir besser) bekommt. Das würde bedeuten, dass ich in etwa im Mai 2021 damit beginnen könnte. Das ist doch schonmal eine gute Aussicht. 🙂 Und falls der Prozess etwas schneller läuft, könnte ich quasi mit meinem 40. Geburtstag im April damit beginnen. Was für ein schönes Geburtstagsgeschenk. Im wahrsten Sinne…GEBURT. Wiedergeburt. Nach 40 Jahren.

Wenn ich an den Mai 2021 denke, denke ich automatisch an unsere alljährliche „Herrentour“ zu Pfingsten, die dieses Jahr wegen Corona leider ausfallen musste. Was wird daraus? Genau betrachtet war es ja nie eine rein „Herren“-Tour. Ob mich die Jungs dann noch dabei haben wollen? Wie werden wir diese Institution künftig benennen? Wie wird die bisher sehr lockere Zimmeraufteilung laufen? Wie werde ich mich überhaupt mit fühlen, am Strand zu sein – insbesondere wenn ich noch in der Transition bin. Ziehe ich noch meine Badehose an? Oder einen Badeanzug? Oder verzichte ich auf’s Schwimmen und behalte einfach konstant ein T-Shirt an? Auf welche Toilette werde ich dann dort gehen? Wie werden andere Gäste aus anderen Kulturkreisen reagieren?
Ich weiß es nicht, aber ich vermute, das wird sich alles Schritt für Schritt ergeben.

Bis dahin stehen noch viele andere Themen auf dem Programm. Anfang August habe ich beispielsweise einen Termin beim Hautarzt wegen meiner geplanten IPL-Behandlung (Barthaarentfernung mittels Laser). Ich würde gerne klären, ob einer solchen Behandlung aufgrund meiner empfindlichen Haut etwas entgegen steht. Neben einer großen seelischen Erleichterung durch einen reduzierten Bartwuchs wäre es beim Erstgespräch sicherlich auch hilfreich, schon erste Maßnahmen begonnen zu haben. In der Zwischenzeit ist trotz oder gerade wegen aller Zweifel eine Sicherheit in mir herangereift, die unumstößlich scheint. Und diese Sicherheit möchte ich auch dem Therapeuten authentisch vermitteln, nicht zuletzt auch in der Hoffnung, meinen Prozess damit zu beschleunigen und meinen Leidensdruck so schnell wie möglich (und für ich selbst von der psychischen Belastung her vertretbar) zu lindern.

Allerdings geistert mir immer wieder die Krankenkasse durch den Kopf. Was, wenn sie meinen Antrag ablehnen? Kann ich die Therapie dann privat finanzieren? Wie teuer wäre so etwas überhaupt?

Fest steht jedenfalls: mir ist im Grund fast jedes (legale) Mittel recht, um meine Transition jetzt anzugehen und nicht noch länger warten zu müssen!

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One Thought to “Planung des Unplanbaren”

  1. […] Nur 4 Monate (!) nach meiner lebensverändernden Erkenntnis ist der Zeitpunkt gekommen, den ich mir schon als Kind so sehnlich gewünscht habe. Die körperliche Transition kann beginnen. 7 Monate früher als zunächst gedacht. […]

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