So mancher Hollywood-Streifen endet nach einer wilden Reise mit einem Happy End. Der Drache ist besiegt, der große Schatz geborgen und zwei sich liebende Menschen kommen schlussendlich zusammen. In den letzten Wochen ist viel Gutes in meinem Leben geschehen, das mich dazu veranlasst hat, hier und heute meine Transition für beendet zu erklären – mit meinem ganz persönlichen Happy End.
Ihr Lieben,
ich sehe euch förmlich mit offenen Mündern die Einleitung dieses Artikels lesen. Julias Transition ist beendet?! Moment mal! Was ist denn mit der Brust-OP? Und überhaupt?! Was ist da los?! Happy End?!? Häää??? Und was geschieht nun mit diesem Blog? Fragen über Fragen! Und ich werde alle davon beantworten, versprochen. 🙂
Doch lasst mich zunächst ein paar Monate zurückblicken. Damals begann ich, mein Buch über die Transition zu schreiben, Arbeitstitel: “Schmetterlinge weinen nicht”. Nach einem flüssigen Einstieg ins Schreiben kam mir leider Anfang 2023 meine Depression dazwischen, so dass mein Schreibprojekt bis auf Weiteres liegen blieb. Doch bereits damals machte ich mir intensiv Gedanken darüber, wie ich meine Geschichte strukturieren möchte und bis heute bin ich der Meinung, dass eine grobe Orientierung an der sogenannten Heldenreise am besten für all das passt, was da in den vergangenen gut 3 Jahren geschehen ist. Nicht, weil ich so wahnsinnig heldenhaft wäre, sondern weil sich meine Erlebnisse zufällig einfach wunderbar in die Erzählstruktur fügen. Nicht zuletzt deswegen kam mir als Abschluss des Buches ein Happy End in den Sinn, wusste damals allerdings noch nicht, wie dieses Ende aussehen könnte. Zugegeben: in mir wohnt auch einfach eine hoffnungslose Romantikerin, der das Herz aufgeht, wenn eine Geschichte ein herzergreifend schönes Ende nimmt. 🙂
Heute sitze ich hier an meinem Laptop und versuche trotz weiterhin vorhandener Schreibblockade einen gangbaren Weg zu finden, euch von meinem ganz persönlichen Happy End zu berichten. Lasst es mich mal so probieren:
Mein Happy End hat mit einem ganz wunderbaren Menschen zu tun, der vor einigen Wochen unverhofft und plötzlich in mein Leben trat: P. – um seine und unsere Privatsphäre zu schützen, werde ich es in diesem Beitrag bei dem ersten Buchstaben des Vornamens belassen und auch nicht auf alle Details eingehen. Ich hoffe, das seht ihr mir nach.
Alles begann auf der Dating-Plattform Finya. An sich eine Dating-Webseite, die mit Werbung überfrachtet und daher kaum nutzbar ist. Aber dennoch fand P. mein dortiges (inzwischen gelöschtes) Profil und schrieb mich nach einer Weile an. Ich mochte seinen Schreibstil, seine Lebenseinstellung, sein Wesen und es zauberte mir von Tag zu Tag mehr Schmetterlinge in den Bauch. Dieses Kennenlernen war ganz nach meinem Geschmack. Respektvoll, freundlich, interessiert, humorvoll und in einem Tempo, das ich als absolut stimmig empfand. Wir überstürzten nichts, vielmehr überließen wir alles dem natürlichen Fluss dessen, was sich für uns gut anfühlte. So taten wir es auch auf unserem ersten Date, beim zweiten, dritten, … Immer begleitet von offener und ehrlicher Kommunikation darüber, was uns wichtig ist, uns beschäftigt und wie es uns in der jeweiligen Situation geht. So hatte ich mir das immer gewünscht und es erfüllt mich bis heute mit einem riesigen Glücksgefühl, ein solch großes Geschenk bekommen zu haben.
Wie ihr vielleicht schon bemerkt haben werdet, war P. mein erstes männliches Date. Ein Umstand, der mir im Vorfeld durchaus etwas Bauchschmerzen gemacht hatte, da ich nicht wusste, ob das in irgendeiner Weise ein Problem sein könnte. Aber das war es nicht. Es war, das mag kitschig klingen, ist aber ernst gemeint: perfekt! So aufgeregt ich anfangs war, so schnell wich diese Aufregung einem Gefühl von Geborgenheit, emotionaler Nähe, Sicherheit und angekommen sein. Von Treffen zu Treffen lernten wir uns besser kennen, kamen uns näher. Bei und nach jedem Date fühlte ich in mich hinein, wie es mir mit uns beiden ging – es ging mir gut. Sogar mehr als das. Alles fühlte sich richtig an, so als würde sich wieder ein Puzzleteil in meinem Leben an den richtigen Platz begeben.
Hätte mir jemand vor der Transition gesagt, ich würde eines Tages die Nähe eines Mannes suchen und lieben, ich hätte betreffender Person vermutlich einen Vogel gezeigt. Tatsächlich war dieser Gedanke für mich Zeit meines Lebens undenkbar. Doch durch die Transition hat sich das um 180 Grad gedreht! Warum, kann ich euch nicht sagen und im Grunde spielt es auch keine Rolle. Ich weiß von Freundinnen und Bekannten, dass eine Veränderung der romantischen und/oder sexuellen Orientierung während der Transition eher eine Seltenheit ist. Insofern wage ich zu vermuten, dass all dies bereits mein Leben lang tief in mir schlummerte und durch die Transition erst freigelassen wurde. Aber das ist pure Spekulation. Am Ende ist es mir auch egal, denn ich bin glücklich mit P. und unendlich dankbar, diesen wunderbaren Menschen in meinem Leben zu haben.
Wie ihr sicher schon vermutet, sind wir mittlerweile ein Paar und es kribbelt ganz gewaltig. 🙂 Ich genieße jede Sekunde davon und wünsche mir von Herzen, dass aus den bisher wenigen Wochen noch viele Jahre und Jahrzehnte werden. Das sind so früh in einer Beziehung natürlich große Worte, aber der Wunsch ist absolut real…
Das Ende meiner Transition
Irgendwann im Laufe der vergangenen Wochen stellt sich dann ein sonderbares Gefühl bei mir ein. Etwas, das mich lange Zeit begleitet hatte, war fast vollständig verschwunden. Ein Etwas, das aus mir eine Suchende gemacht und mich unruhig umher getrieben hatte. Ein Etwas, das beim Blick in den Spiegel noch viel zu oft kritisch auf mich blickte. Doch die Stimme dieses Etwas war weitgehend verstummt. Stattdessen erfasste mich mehr und mehr ein Gefühl von innerer Ruhe. Meine tief verankerten Glaubenssätze, ich sei nicht gut genug, waren mal eben aus den Angeln gehoben worden und wurden in ihrer Falschheit entlarvt, was letztlich sogar darin mündete, dass ich mich eines schönen Sonntagmorgens ohne MakeUp auf die Straße wagte und einen zauberhaften Spaziergang mit P. unternahm.
Eine vormals leise Stimme in mir wurde von Tag zu Tag lauter und verkündete mir:
“Hey Süße, du bist angekommen! Deine Transition ist vorüber! Alles, was jetzt noch kommt, ist Bonus. Die Bartepi, die Brust-OP. Aber der Prozess der Transition ist nun wirklich vorüber.”
P. formulierte es liebevoll so:
Nach dieser anstrengenden Phase ist nun die Zeit gekommen, das Leben zu genießen.
Ja, ich glaube, das trifft es sehr gut und so fühlt es sich für mich auch an. Und daher markiert dies auch für mich mein ganz persönliches Happy End und damit den Abschluss der Transition – ein gänzlich neues Kapitel. Oder gar ein neues Leben, das endlich unter dem richtigen Stern steht.
Flieg, kleiner Schmetterling! Flieg in dein neues Leben!
Und nun?
Ich habe euch Antworten auf all die Fragen versprochen und die sollt ihr nun auch noch bekommen.
Warum für mich meine Transition nun offiziell beendet ist, habe ich euch kurz geschildert. Zwar gibt es dazu noch so viel mehr zu berichten, was mein Herz höher hüpfen lässt und teilweise mit der (körperlichen) Transition zu tun hat, aber das behalte ich für mich und überlasse es eurer Fantasie, was ihr mit dieser Information anfangt. 🙂
Meine Brust-OP ist natürlich weiterhin ein Thema und mein Termin am 3.11. steht auf weiterhin fest. Doch durch alles, was kürzlich geschehen ist, hat die OP einen anderen Stellenwert für mich bekommen. Ich will sie noch immer 100%ig machen, aber ich sehe sie nicht mehr als notwendiges Kriterium für das Ende meiner Transition. Ich werde aber natürlich zu gegebener Zeit über die OP berichten und euch wissen lassen, wie es mir damit ergeht.
Insofern folgen in diesem Blog noch so manche Beiträge zum Thema. Aber dennoch ist absehbar, dass meine (Transitions-)Geschichte so gut wie erzählt ist und ich mich anderen Projekten und vor allem der (zweisamen) Freude am Leben widmen werde. Ihr seid natürlich auch weiterhin herzlich eingeladen, dem Beispiel meiner Freundin Julia E. zu folgen und eure Geschichte mit meiner Leserschaft zu teilen, wenn ihr mögt. Gerne würde ich auch Angehörige und Freunde zu Wort kommen lassen und hören, wie ihr die Transition eurer Liebsten erlebt habt.
Schreibt mir gerne, ich freue mich auf eure Geschichten.
Von Herzen alles Liebe,
eure Julia