Brustwachstum in der Transition: Ein persönlicher Erfahrungsbericht

Frau im schwarzen BH mit Maßband

Am 3. November steht endlich meine lang ersehnte Brust-OP an. Heute möchte ich einen Blick zurück werfen und euch einen persönlichen Einblick geben, wie ein Brustwachstum während der Transition verlaufen kann.

Ihr Lieben,

wie versprochen, lasse ich vor meiner Brust-OP noch das ein oder andere Mal von mir hören. 🙂

Heute ist mir ein wenig nach Rückschau, bevor es in den nächsten Tagen schnell in Richtung (OP-)Zielgerade gehen wird. Im Verlauf der letzten zwei Jahre, also ein Jahr nach Beginn meiner Hormonersatztherapie (HRT) mit Östrogen und Progesteron, notierte ich mir regelmäßig meine Körpermaße, um ein Gefühl dafür zu bekommen, wie sich die Hormone auswirken und ob sich in Sachen Brustwachstum etwas bei mir tut.

Es sei vorweg geschickt, dass das Brustwachstum bei jedem Menschen hochgradig individuell ist, sich meine persönliche Geschichte also nicht ohne Weiteres auf andere trans Personen übertragen lässt. Wenn ich mein Brustwachstum jedoch mit dem meiner Freundinnen vergleiche, die mehr oder minder zeitgleich mit dir durch die Transition gingen, liege ich mit meinen Maßen in etwa im Mittelfeld. Es gibt Mädels bei uns, deren Brustwachstum gefühlt ab Tag 1 der HRT förmlich explodierte und es gibt wiederum andere, bei denen tat sich in mehr als zwei Jahren fast gar nichts.

Lasst mich doch gerne in einem Kommentar oder per eMail wissen, wie eure Erfahrungen diesbezüglich aussehen.

Die Gründe dafür sind laut Literatur sehr vielschichtig. Am häufigsten las ich jedoch etwas über genetische Veranlagung, Alter und die Hormonkonzentration im Körper – wobei hier deutlich zu sagen ist, dass viele Hormone nicht gleich viel Brustwachstum sind.
Bitte seid daher achtsam mit diesen Medikamenten und eurem Körper! Hormone sind kein Spielzeug und haben einen großen Einfluss auf euren Körper und eure Gesundheit! Daher rate ich auch dringend von einer Selbstmedikation ab, von der man häufig im Internet liest, wo trans Personen aufgrund des massiven Leidensdrucks beispielsweise zur Pille oder anderen Präparaten greifen – ohne ärztliche Aufsicht. So sehr ich diesen Leidensdruck kenne und den Drang nach dem Beginn der HRT nachvollziehen kann,  bitte tut das nicht! Im Zweifel schadet ihr euch mehr, als dass ihr euch etwas Gutes damit tut.

So, Mama-Belehrungsmodus aus! 🙂

Ich gestehe, die erste Zeit in der HRT war ich super deprimiert, was mein Brustwachstum anbelangte. Der Beginn meiner Aufzeichnungen erst ein Jahr nach dem Start der HRT ist ein Indiz dafür. Es tat sich schlichtweg nichts. Zwar wurden meine Brust und vor allem die Brustwarzen sehr empfindlich, teilweise schmerzten sie auch sehr, messbares Wachstum war aber schlicht nicht gegeben. Das bedrückte mich damals besonders deswegen, weil ich in verschiedenen Quellen gelesen hatte, dass das hauptsächliche Brustwachstum innerhalb des ersten Jahres zu erwarten sei. Hm. Mag ja sein, in meinem Fall war das jedoch völliger Unsinn. Zwar tat sich etwas in meinem Körper, das spürte ich. Aber es wurde eben nicht sichtbar.

Dieser Prozess begann tatsächlich erst nach besagtem Jahr HRT. Schaut euch dazu gerne folgendes Diagramm an:

Brustwachstum 10/21 bis 10/23
Brustwachstum 10/21 bis 10/23

Anfangs schwankten die Werte noch sehr stark, sowohl beim Unterbrustumfang also auch beim Brustumfang. Messfehler, Ungenauigkeiten beim Anlegen des Maßbandes oder was auch immer waren dafür die Gründe. Ihr seht aber, dass sich mit zunehmender Routine ab Anfang 2022 eine gewisse Konstanz in den Messwerten zeigte. Der Unterbrustumfang pendelte sich je nach Tagesform bei 94 oder 95 cm ein. Meiner Erfahrung nach haben diese Werte auch teilweise damit zu tun, wann ich zuletzt gegessen habe, wann ich messe und ob ich mich schlank gut oder einen Blähbauch habe.

Obwohl es Mitte 2022 dann einen ziemlichen Sprung im Brustwachstum gab, war ich weiterhin enttäuscht. Gibt man die damaligen Werte (94 zu 103 cm) in einen Rechner für Körbchengrößen ein, bekommt man lediglich eine Fehlermeldung – ungültige Werte. Sprich, die 103 cm sind schlicht zu wenig, um überhaupt auf einer Skala für Cups aufzutauchen. Dieser Umstand änderte sich erst, als die Differenz zwischen Unterbrustumfang und Brustumfang 11 cm erreichte – ab diesem Zeitpunkt konnte man offiziell von einem AA (Doppel-A) sprechen, die kleinste Körbchengröße, die es gibt. Dieser Zeitpunkt wurde bei mir im Frühherbst 2022 erreicht, also etwa 2 Jahre nach Beginn der HRT.

Es sei mir an dieser Stelle ein kleiner politischer und durchaus kontroverser Einschub gewährt: 
Möglicherweise kennt ihr bereits die Regelung, dass die Krankenkassen eine Mindestdauer der HRT von 2 Jahren und eine maximale Körbchengröße A fordern, bevor sie die Kosten für einen Brustaufbau übernehmen. Dieser Umstand ist unter trans Personen hochgradig umstritten, da erfahrungsgemäß in den meisten Fällen kein angemessen weibliches Brustwachstum zu erwarten ist, sowohl was Größe, aber auch die Form anbelangt. Daher fordern viele trans Personen, die Kostenübernahme bereits früher zuzulassen, was aus meiner Sicht absolut legitim wäre. Vor allem bei Menschen jenseits des 30. Lebensjahres sinkt die Wahrscheinlichkeit für ein „hinreichendes“ Brustwachstum meiner Erfahrung nach rapide mit zunehmendem Alter (Achtung: „hinreichend“ ist sehr subjektiv).
Wenn ich mir meinen Wachstumsverlauf jedoch bis heute anschaue, kann ich diese Regelung aus Sicht der Krankenkassen schon irgendwie nachvollziehen. Ihr werdet auf dem Diagramm bemerkt haben, dass speziell in den vergangenen 12 Monaten noch einmal ein paar Wachstumsschübe kamen, die mich heute immerhin auf Körbchengröße A bringen. Zudem erinnere ich mich an einen lieben Kommentar zu einem früheren Blogartikel, in dem jemand von ihrer Erfahrung berichtete, dass sich im Verlauf von über 5 Jahren sogar ein B-Körbchen entwickelt habe und sie daher von einem Brustaufbau Abstand genommen habe.
Versteht mich bitte nicht falsch: wenn ein Brustaufbau zum persönlichen Wohlbefinden, respektive Reduktion der Dysphorie führt, dann stehe ich 100%ig hinter diesem Eingriff. Denn selbiges gilt auch für mich. Dieser kleine Exkurs diente lediglich dazu, auch einmal kurz die andere Seite der Medaille zu betrachten. Ich bitte daher von wütenden Kommentaren abzusehen – ich bin absolut bei euch, Mädels. 🙂

Lasst mich noch einmal kurz auf die obige Grafik zurückkommen. Eine für mich wichtige Erfahrung war der Umstand, der sich speziell auf der rechten Hälfte des Diagramms ablesen lässt: mein Körper entwickelte die Brüste in Schüben, zumindest, was die äußeren Maße anbelangte. Ab Ende 2022 setzte eine etwa 6-monatige Pause ein, in der sich äußerlich faktisch nichts veränderte. Dennoch blieben die Brüste sehr empfindlich und taten oft morgens beim Aufstehen weh – in der Regel ein Zeichen dafür, dass sich innerlich etwas entwickelt.

Um Ostern 2023 herum kam es dann noch einmal zu einem deutlichen, aber kurzen Wachstumsschub, den ich auch aufgrund nochmals gesteigerter Empfindlichkeit und teilweise ziehenden Schmerzen an der Außenseite der Brust (vornehmlich links) bemerkte, jedoch erneut gefolgt von einer mehrmonatigen Pause. Erst seit dem (Spät-)Sommer dieses Jahres hat sich mein Körper dazu entschlossen, noch einmal ein wenig nachzulegen, so dass es mich von August bis heute von AA auf A heraufkatapultierte. Dennoch erwarte ich nicht wesentlich mehr, vor allem wenn ich mir die genetische Disposition in meiner Familie anschaue. Wir werden sehen… 🙂

Ich möchte diesen Einblick in meine persönliche Geschichte mit einer kleinen „Moral von der Geschicht“ beenden und die Ungeduld aufgreifen, die viele trans Personen gerade am Anfang der Transition verspüren – es kann zu dieser Zeit einfach nicht schnell genug gehen.

Aber: wie mein individuelles Brustwachstum im Speziellen und meine gesamte Transition im Allgemeinen zeigt, brauchen diese Dinge einfach Zeit und Geduld. Ja, das ist oft nervenaufreibend und es gab früher viele Tage in meinem Leben, an denen ich am liebsten die Zeit vor gespult hätte. Und ich weiß, dass es vielen von euch eben so geht. I feel you! Dennoch möchte ich euch aus heutiger Perspektive sagen: gebt euch selbst und eurem Körper die Zeit, die er für diese wunderbaren Veränderungen braucht.

Ihr kommt an euer Ziel!

Dass das trotz vorheriger Sorgen möglich ist, illustriert meine eigene Geschichte. Am Anfang meiner Transition Mitte 2020 hätte ich mir im Leben nicht träumen lasse, wo ich heute, gut 3 Jahre später, stehen würde. Letztlich ist es in fast allen Belangen so geworden, wie ich es mir immer gewünscht habe: ich bin eine starke und unabhängige Frau, habe meine bisherigen OPs gut überstanden und bin glücklich mit dem Ergebnis, habe heute ein soziales Umfeld, in dem meine Geschichte nicht abgelehnt, sondern als bereichernd empfunden wird und nicht zuletzt habe ich eine zutiefst liebevolle und emotional tiefe Beziehung mit meinem Freund, die Sahnehäubchen und Kirsche zugleich ist und all dies würdig krönt!

Ich hoffe, ihr Lieben, dass euch mein Artikel eine Idee davon vermitteln konnte, wie ein durchschnittliches Brustwachstum während einer HRT verlaufen kann und dass es trotz anfänglicher Hürden am Ende noch zu einem guten Ergebnis kommen kann – und sei es mit operativer Hilfe.

Falls ihr weitergehende Fragen oder Anmerkungen habt, schreibt mir gerne in die Kommentare oder eine eMail.

Alles Liebe,
Eure Julia

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