Buch, Kaffee, Regen

Heute sind es noch genau 3 Wochen bis zu meiner Korrektur-OP bei Dr. Taskov in München. Die organisatorischen Vorbereitungen laufen sehr entspannt, die mentalen eher nicht.

Es ist etwa 16 Uhr am heutigen Nachmittag, als mein letztes Meeting der Woche endet. Ich war heute nicht im Büro, obgleich ich mir das vorgenommen hatte. Weder mental, noch körperlich sah ich mich dazu in der Lage. Als mein Wecker um 6:30 Uhr klingelte, hätte ich mich am liebsten krank gemeldet. Nicht, weil ich mir irgend einen Infekt eingefangen hätte, nein. Dann wäre das, was da gerade mit mir geschieht, ja einfach nachzuvollziehen. Nein. Im Grunde setzt sich gerade nur fort, was mit meinem traurigen Jahreswechsel seinen Anfang nahm.

Jeden Morgen muss ich mich regelrecht aus dem Bett prügeln. Mein Körper fühlt sich an wie ein nasser Sandsack, mein Energielevel ist im Keller. Emotional geht es mir besser als zum Jahreswechsel. Zum Glück. Doch im Augenblick scheinen mich meine körperlichen Kräfte zu verlassen. Nach dem heutigen Meeting konnte ich mich nicht aufraffen, aufzustehen. Stattdessen sank ich erschöpft auf den Boden, fühlte das kühle Laminat und schaute den Regentropfen zu, wie sie vom Wind gegen die Fensterscheiben gedrückt wurden. Ich weiß nicht, wie lange ich dort saß. Eine innere Schwäche erfüllte mich. Die Korrektur-OP ging mir wieder und wieder durch den Kopf. Tut sie seit Tagen. Etwa seit dem Jahreswechsel, mit dem sie gefühlt wesentlich näher an mich heran kam. Plötzlich sind es nur noch einige Tage.

Ich habe keine große Angst vor der OP, dennoch ertappe ich mich immer wieder dabei, wie ich mir und anderen beruhigend erzähle, dass es ja nur ein kleiner Eingriff wird, den Dr. Taskov quasi im Vorbeigehen zu erledigen weiß. Und nach allen Vorgesprächen zu folge, ist das auch gar nicht falsch. Im Vergleich zur GaOP wird das ein Spaziergang. Und irgendwie freue ich mich auf die Zeit nach der OP. Das Umsorgtwerden in der Klinik, die Erholung. Ich werde endlich für ein paar Tage alle Verantwortung abgeben können, werde mich nicht ums Kochen kümmern müssen oder sonstige Alltagsproblemchen. Und doch, ich muss mich korrigieren, ich habe irgendwie Angst vor der OP! Warum, weiß ich aber nicht.

Schon vor etwa einer Woche bemerkte ich diesen speziellen Tunnelblick, den viele vor Operationen bekommen. Die Aufmerksamkeit fokussiert sich auf dieses eine Event, alles ringsum verschwimmt. Das Problem daran: dieser Tunnelblick ist bereits so stark, dass es mich im Alltag behindert, gar lähmt. Ob sich dieses Gefühl von Schwäche daraus ergeben hat? Vielleicht. Es fühlt sich irgendwie an wie eine gewisse Art von Lähmung. Paralyse. Ein ziemlich ätzendes Gefühl, das von vielen Emotionen begleitet wird. Ich bin hochgradig emotional in den letzten Wochen, innerlich sehr aufgewühlt, schlafe schlecht, bekomme leichte Panikattacken, habe mein Gefühl für Hunger und Sättigung verloren. Ich esse im Augenblick zu viel und erst, wenn der Bauch drückt, merke ich, dass ich nun offenkundig satt sein sollte. Ohne mich jedoch satt zu fühlen.

Wenn ich das so schreibe, klingt das alles ganz schön schlimm, oder?

Und doch ist die OP im Augenblick meine naheliegendste Erklärung für diese offensichtliche Überlastung.
Weinen hilft übrigens. Es löst etwas in mir. Und heute habe ich es gar geschafft, auf Kommando zu weinen, einfach weil ich die Anspannung loswerden wollte. Das habe ich bisher noch nie geschafft! Östrogen ist schon ein tolles Zeug. 🙂

Dabei ist ansonsten wirklich alles im Lot, keine Sorge. Meine Unterlagen für die Klinik habe ich so weit es geht beisammen, mein Koffer füllt sich bereits langsam, meine vorherigen Arzttermine sind vereinbart. Dennoch läuft mein Leben im Augenblick wie ein Film an mir vorbei. Die Arbeit, die Bartepi gestern (wir haben nun übrigens offiziell 1/3 der Stunden verbraucht und sind laut meiner Behandlerin schon sehr weit gekommen). Ja sogar der gesamte Tag fliegt einfach so an mir vorbei. Kommunikation fällt mir schwer. So ging es mir zuletzt vor der GaOP, allerdings erst wenige Tage vor der OP. Nicht 3 Wochen davor! Der Unterschied dieses Mal ist jedoch: ich habe nur wenig Ablenkung. Damals hatte ich noch meine Bewerbung auf die neue Stelle vor der Brust. Und die Übergabe meiner Arbeit an meine Kolleg*innen. Dieser Stress entfällt dieses Mal weitgehend. Es ist alles bereits geregelt und es fühlt sich irgendwie nach einem Absitzen von Zeit an.

Die einzige Ablenkung, die wirklich effektiv war, war das Treffen mit meiner besten Freundin am vergangenen Wochenende. Allein schon der Film “Oskars Kleid” hat mich so tief berührt, da war kein Platz für etwas anderes.

Vielleicht ist es ganz gut, dass in den nächsten Tagen doch noch einige wichtige Termine im Kalender stehen, obgleich ich langsam damit beginnen möchte, mich vor der OP aus sozialen Kontakten zurück zu ziehen, um mir nicht noch auf den letzten Metern etwas einzufangen.

Hm. Das ist alles ganz schön komisch gerade. Ich wünschte, ich könnte bereits morgen nach München fahren und das alles hinter mich bringen. Diese Warterei ist schlimmer als das Warten auf’s Christkind damals.

Offen gestanden, weiß ich gar nicht, warum ich euch das alles schreibe. Ich habe das Gefühl, meine letzten Artikel sind alle so furchtbar negativ und traurig. Und in diesen Momenten geht es mir auch so. Dabei ist das nur die halbe Wahrheit. Ja, ich habe meine Baustellen. Wie wir alle. Aber davon mal abgesehen, ist mein Leben besser, als jemals zuvor! Ernsthaft! Denn es geschehen auch noch andere Dinge, von denen ich hier nicht berichte. Schöne Dinge. Erfreuliche Dinge.

Ich atme tief, lausche der sanften Klaviermusik im Hintergrund und lasse meine Gedanken weiter schweifen.
Sie bleiben kurz an etwas hängen, was ich heute neu begonnen habe – auch, um mich abzulenken:

Die Arbeit an meinem Buch…

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