Gemischte Wasserfarben

So lange ich hier auch sitze und nachdenke, mir fällt einfach kein guter Titel für diesen Artikel ein. Es ist einfach eine wilde Mischung aus Themen, die mich gerade beschäftigen.

Was ich an dieser Stelle schon einmal festhalten kann ist: der Jahresstart 2023 war, gelinde ausgedrückt, holprig. Der Jahreswechsel war aus mehreren Gründen völlig vermurkst, die ersten Tage im Jahr irgendwie trüb und auf eine lähmende Art überfordernd. Gegen Jahresende waren verschiedene Themen akut geworden, die aber nur am Rande mit der Transition zu tun haben. Daher werde ich darauf auch gar nicht großartig eingehen. Zurückblickend kann ich aber sagen, dass zu viele Themen auf einmal nach Aufmerksamkeit verlangten, Prioritäten unklar waren und mich das am Ende für ein paar Tage mehr oder minder handlungsunfähig machte.

Dieser Knoten platzte zum Glück nach einem Gedankenanstoß meiner besten Freundin. Ich setzte mich einen Abend hin und fing einfach an zu schreiben – ein Mittel, das ich schon einige Male erfolgreich genutzt habe. Aber ich war zuvor innerlich so blockiert, dass ich selbst nicht mehr auf diese Idee kommen konnte. Manchmal braucht es dann doch einen kleinen (aber nicht minder wertvollen) Impuls von außen…
Ich schrieb auf, was auch immer mir gerade durch den Kopf ging. So kam eins zum anderen und am Ende lagen die Dinge ziemlich klar vor mir, so dass ich die Themen sogar priorisieren und mit konkreten Aktivitäten verknüpfen konnte, um daran zu arbeiten. Dadurch ging es mir schlagartig besser, da der riesige Berg plötzlich kein riesiger Berg mehr war, all das hatte seinen Schrecken verloren und ich war wieder handlungsfähig.

Tja, das war mein Jahresbeginn. Emotional ziemlich wild. Es ist schon echt schräg, wenn die 41-Jährige in mir genau merkt, dass sich mein Kopf gerade wie ein Teenager verhält. Aber so ist das wohl einfach auch manchmal in der zweiten Pubertät. Am Rande bemerkt, habe ich ja die Theorie entwickelt, dass diese Pubertät etwa 7 Jahre dauern müsste, da sich ja im Laufe von 7 Jahren alle Körperzellen einmal erneuert haben, also erst dann alle Zellen unter dem Einfluss von Östrogen und Progesteron entstanden sein werden. Ob das wissenschaftlich richtig ist, weiß ich natürlich nicht, vielleicht ist das auch totaler Unsinn. Aber irgendwie finde ich das logisch. 🙂

Heute

Und nun? Wie gesagt, seit dem schriftlichen Ausdruck meiner Gedanken und Gefühle geht es mir viel besser und ich sitze nach einem spannenden Wochenende auf meinem Bett und grüble darüber nach, wie ich all das mit Bezug zur Transition in passende Worte verpacken kann. Das fällt mir heute irgendwie schwer. Das Schreiben ist mühsamer als sonst.

Möglicherweise liegt das am heutigen Nachmittag. Ich wurde im privaten Umfeld recht nachhaltig misgendert, korrigierte die betreffende Person zunächst geduldig, hörte die schon gewohnten Entschuldigungen und wurde dennoch weiter mit „er“, „ihm“ und diesem ganzen Mist betitelt. Irgendwann platzte mir der Kragen und ich wurde recht deutlich, weil ich das nach über 2 1/2 Jahren einfach respekt- und gedankenlos finde. Ja, diese Veränderung braucht Zeit. Vor allem, wenn man sich nicht so oft sieht. Geschenkt.
Aber ganz ehrlich?! Aus meiner Sicht ist es eine Frage des Anstands, auf die richtigen Pronomen zu achten und langsam bin ich die Entschuldigungen wirklich leid, die im Subtext viel zu oft ein „stell dich doch nicht so an“ erkennen lassen. Doch, ich stelle mich an! Weil ich nunmal eine „sie“ bin und kein „er“. Und leider mache ich viel, viel, viel, viel zu oft die Erfahrung, dass es cis Personen einfach egal zu sein scheint. Die Gründe kann ich nur erraten. Weil sie nicht nachfühlen können, wie beleidigend und schmerzhaft das ist, falsch gegendert zu werden? Weil sie tatsächlich noch einen „er“ in mir sehen? Weil sie einfach gedankenlos alten Mustern folgen? Ach, was weiß ich?!

Jedenfalls habe ich mich maßlos geärgert und das „Ja“ auf die Frage, ob ich der betreffenden Person nochmal verzeihen könne, war auch nur purer Anstand, weil ich keine Lust auf eine Eskalation der Situation hatte. Am Liebsten wäre ich aber aufgestanden und gegangen. So langsam bin ich an einem Punkt in meiner Transition angekommen, wo ich genug Selbstbewusstsein als Frau entwickelt habe, um in solchen Situationen für meine korrekte Ansprache zu kämpfen, nicht mehr in Selbstzweifeln ertrinke und abends heulend auf dem Boden sitze. Nein! Das ist mir bei meiner Niederschrift vor einigen Tagen klar geworden: die Löwin in mir ist (wieder) erwacht und hat wirklich überhaupt keine Lust, sich das weiterhin bieten zu lassen! Ich bin zwar von meinem Grundwesen her eher das liebe Kätzchen, aber falls nötig übernimmt auch manchmal die Löwin!

Nun gut…so ausführlich wollte ich das Thema eigentlich gar nicht behandeln, aber das musste wohl raus (und nur der Vollständigkeit halber: das Gespräch zu den betreffenden Personen habe ich natürlich schon gesucht). Wie ich kürzlich in meinem Video schon sagte: ich schreibe gerne das nieder, was gerade in mir lebendig ist und nach Ausdruck verlangt. Und mein wachsendes Unverständnis für das Misgendern gehört definitiv dazu!

Zeit für frische Luft, einen heißen Tee und  ein anderes Thema…

Augen-Blicke

Lasst mich versuchen, die Kurve mit einem Rückblick auf den gestrigen Samstag zu kriegen, mit dessen Abend ich beginnen möchte. Ich war mit meiner besten Freundin nach einem Kinomarathon ganz gemütlich etwas essen. Einige buchstäbliche „Augen-Blicke“ fand ich nach meinen Dating-Pleiten der letzten Monate doch ganz erbaulich:

Am Nachbartisch saßen drei Herren. Alle drei nicht unbedingt mein Typ und auch locker 10 Jahre älter. Aber dennoch fielen mir irgendwann im Augenwinkel die wiederholten verstohlenen Blicke in unsere Richtung von zweien der Drei auf. Ab und an erlaubte ich mir den Spaß und schaute ganz offen zurück. Es war geradezu niedlich, wie schnell sie dann ihre Blicke wieder abwandten. Ich fing an, Gefallen an diesem Spielchen zu finden, zumal es dann doch ein wenig mein Ego kitzelte, offenkundig interessant für die Herren zu sein. Wäre auch nur einer der drei mein Typ gewesen, hätte ich sie vielleicht sogar angesprochen. Nebenbei bemerkt, hätte ich mich das noch bis vor einem Jahr niemals getraut. Geschweige denn in meinem früheren Leben. Aber ich sage ja…die Löwin ist da irgendwo und verlangt danach, Dinge auszuprobieren und selbstbewusst für sich einzustehen.

Am Schluss wurde nichts weiter aus den Blickkontakten, aber das ist total okay. Für mich war das eine spannende Erfahrung und ein kleiner Schritt aus der Komfortzone. Und eine Motivation, nächstes Mal vielleicht einen Schritt weiter zu gehen (wobei ich es ja schon schön finden würde, wenn die Herren ganz gentleman-like die Initiative ergreifen würden…). 🙂

„Oskars Kleid“

Diesem kleinen Geplänkel war wie gesagt ein Kinomarathon mit zwei Filmen in Folge voran gegangen. Einer davon war Oskars Kleid. Bei den Kritikern und auch in meinem Freundeskreis ist der Film ausgesprochen umstritten. Er scheint stark zu polarisieren. Er handelt grob gesagt von einem 9-jährigen trans Mädchen, Oskar, bzw. Lili und daraus resultierenden Familienkonflikten.

Ich persönlich liebe diesen Film! Dank Vorwarnung hatte ich reichlich Taschentücher dabei und kam tatsächlich ab der Mitte des Films kaum noch aus dem Heulen heraus. Gelobt sei wasserfestes Make Up!
Viele Aspekte des Films konnte ich auf mein eigenes Leben beziehen, was mich sehr, sehr tief berührte! Besonders Lilis Aussagen wie „Papa, wieso bin ich so anders?“ und „Ich wollte einfach nur verschwinden“ haben mich fast vom Kinositz gefegt. Wären wir nicht im Kino gewesen, hätte ich mich vermutlich heulend auf dem Fußboden zusammengerollt…

Ja, Oskars Kleid hat einige Schwächen, keine Frage. Es gibt beiläufige Handlungsstränge, die einfach fehl am Platze sind und an manchen Stellen hätte ich mir mehr Tiefe bei der Darstellung der Charaktere gewünscht. Speziell bei Lili und ihrem Vater. Aber im Kern geht der Film angemessen und auch für die breite Masse verständlich mit dem Thema Transidentität um. Daher würde ich mir tatsächlich wünschen, dass er ausführlich an Schulen behandelt würde, zumal der Ort Schule in der Handlung einen gewissen Stellenwert hat.

Ich weiß, viele sind da anderer Meinung, ich persönlich spreche dem Film aber eine klare Empfehlung aus. Vor allem für  Angehörige oder Freunde von trans Personen.

Bald ist Februar…

Harter Themenwechsel. Weg von Lili, zurück zu Julia.

Am 18.01. jährt sich meine GaOP…wow! Und mit diesem ganz besonderen Jubiläum steht auch mein nächster Schritt in der (medizinischen) Transition auf dem Programm. Am 03. Februar erfolgt meine Korrektur-OP bei Dr. Taskov in München. Noch 26 Tage sind es, um genau zu sein. So langsam merke ich, wie dieser ganz spezielle Tunnelblick vor OPs entsteht. Mein Fokus wandert immer mehr in Richtung der OP und ihrer Vorbereitung. Blutbild, PCR-Test, Anreise, Aufklärungsgespräche. All das kenne ich ja schon von letztem Jahr, daher bin ich insgesamt auch entspannter.

Etwas aufgeregt bin ich aber dennoch. Es ist eben eine OP. Es ist eine Narkose. Und ich kann heute noch nicht wissen, wie das Endergebnis sein wird. Mit den Worten von Dr. Taskov wird es sich unmittelbar nach der OP wohl nur so anfühlen, „als hätte ich mich beim Rasieren geschnitten“, aber das ist vermutlich ein Understatement. Allerdings müssen wir die Kirche auch im Dorf lassen. Die Korrektur-OP ist eine rein äußerliche und optische Korrektur, bei der das Gewebe der großen Vulvalippen gestrafft wird. Mehr ist es nicht. Aber auch nicht weniger.

Aus medizinischer Sicht ist diese OP nicht notwendig, das muss ich dazusagen. Es ist auch nicht so, dass ich mit dem aktuellen Ergebnis der GaOP unzufrieden wäre. Ganz im Gegenteil. Aber es gibt eben diese gewisse Menge an überschüssigem Gewebe, das laut Dr. Taskov da nicht hingehört, etwas unnatürlich aussieht, aber auch problemlos entfernt werden kann. Und ich kenne mich: ich habe jetzt die Möglichkeit, diese Korrektur vornehmen zu lassen und würde ich das nicht tun, würde ich mich den Rest meines Lebens darüber ärgern. Daher muss ich das einfach tun, um das Kapitel „GaOP“ für mich abschließen zu können.

Dennoch wird das bedeuten: 1 – 2 Wochen Klinikaufenthalt in Bogenhausen und anschließende Heilungsphase. Aber dem blicke ich recht gelassen entgegen, weil ich weiß, dass es richtig und genau das ist, was ich will. Erst danach werde ich gedankliche und emotionale Kapazitäten haben, mich mit dem Brustaufbau auseinanderzusetzen. Aber dem will ich gar nicht vorgreifen.

Für den Januar gilt es nun erst einmal noch einige Dinge zu regeln, bevor ich an meinen Herzensort, die Stadt meiner Wiedergeburt, zurückkehren darf, um das zu vollenden, was ich am 18.01.2022 mit den Worten „A new girl is born! And she’s fine!“ begonnen habe…

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