Es gibt Themen, über die wird in der Trans Community nicht gerne gesprochen, die aber zum Gesamtbild dazu gehören. Und es gibt Ereignisse, die sind einfach per se scheiße!

Wisst ihr, eigentlich ließ sich dieser Freitag ziemlich gut an. Die Arbeit war entspannt, meine Termine liefen gut und fluffig, mein Energielevel war hoch. Komisch eigentlich,  denn ein Anruf bei meinem Frauenarzt förderte ein ziemliches Chaos zu Tage. Meine im August völlig überhöhten Östrogenwerte sind wieder rapide in den Keller gesackt, trotz identischer Dosierung. Von einem exorbitant hohen Wert jenseits der 400 stürzte mein Vitamin Ö wieder auf mickrige 55. Was ist da los?! Weder mein Arzt, noch ich fanden dafür eine schlüssige Erklärung. Was aktuell nur bleibt ist: erneute Erhöhung der Dosis auf satte 4 Stöße Lenzetto, was einer Menge von 6,12 mg Estradiol am Tag gleichkommt. Eigentlich eine Überdosierung, denn laut Packungsbeilage liegt die Maximaldosis bei 3 Stößen. Die scheint jedoch offenbar nicht auszureichen.
So langsam gehen mir die Ideen aus. Mein Körper scheint das Östrogen entweder gar nicht erst zuverlässig aufzunehmen oder aber verstoffwechselt es dermaßen schnell, dass man kaum hinterher kommt mit dem Sprühen. Beides ist doof, aber nun eben Stand der Dinge.

Kurz zur Veranschaulichung für Interessierte, die über eine HRT nachdenken. Mein Hormonverlauf über die Zeit sieht so aus – ziemlich wild:

HRT Verlauf
HRT Verlauf 10/2020 – 10/2022

Ihr seht, Konstanz ist etwas anderes – zumindest beim Östrogen. Testosteron und Progesteron sind hingegen auf einem stabilen Niveau, wurden aber zuletzt auch mangels Relevanz nicht mehr gemessen.

Meine völlig chaotische Gesamtverfassung der letzten, ja, Monate muss ich schon sagen, ist also nicht wirklich verwunderlich, wenn man sich diese Sprünge seit der GaOP im Januar 2022 anschaut. Es ist natürlich nicht gesagt, dass es allen trans Frauen nach einer GaOP mit der HRT so ergehen muss – mein Beispiel soll nur zeigen: sowas kann passieren und einem nachhaltig in die Suppe spucken. Denn die damit einhergehenden körperlichen und psychischen Belastungen sind kein Sonntagsspaziergang in der Sonne. Zeitweise geht es mir gut, andermal richtig beschissen – entschuldigt bitte diese drastische Wortwahl, aber ich mag das auch nicht beschönigen.

Nun, letztlich stehe ich wieder genauso ratlos da, wie im Juli, als mein Arzt und ich das Präparat wechselten. Es bleibt ein Puzzle…

Um auf den Tag zurück zu kommen: das Telefonat mit meinem Arzt überraschte mich zwar nachhaltig, warf mich aber nicht aus der Bahn. Es setzte eher eine etwas ratlose Stimmung ein. Davon mal abgesehen endete der Arbeitstag jedoch sehr positiv, denn ich durfte noch einige Fragen zum bald erscheinenden LGBTQ*-Artikel meines Arbeitgebers beantworten. Wie hoffnungsvoll und optimistisch ich dort noch war. Doch diese Heiterkeit und Motivation drohte später am Abend zu kippen. Willkommen in meinem Leben!

Für den Abend war ich mit Freundinnen in einer lauschigen Bar verabredet und freute mich sehr darauf. Ich kann mich tatsächlich nicht mehr erinnern, wann ich das letzte Mal in diesem Rahmen ausgegangen bin. Hochmotiviert machte ich mich nach der Arbeit frisch, fest in meinem Entschluss, den Abend positiv anzugehen. Ich war sogar offen für eventuelle Flirts im echten Leben!

Diese Motivation verschwand augenblicklich, als ich den Laden betrat. Ich war noch vor meinen Freundinnen angekommen und stand etwas verloren in der noch leeren Bar. Ich hasse solche Situationen, in denen ich weder die Örtlichkeit, noch die Menschen kenne. Mein ganze Selbstwertgefühl zerbröselte und verteilte sich großzügig auf dem Boden. Nun stand da ein verlorenes, schüchternes kleines Mädchen in Mitten einer Bar und wurde vom Wirt fragend angeschaut. Ich schämte mich.

Doch der Abend sollte noch einen unschöneren Verlauf für mich nehmen. Zwischen dem 2. und 3. alkoholfreien Bier plauderte meine Freundin mit dem Wirt – die beiden kannten sich schon. Dabei erzählte der Wirt belustigt, wie ich zuvor die Bar betreten hatte und wartend da gestanden hatte. Und obwohl ich mich heute wirklich hatte gut im Spiegel anschauen können und mich für ausgehfein befunden hatte, wurde ich vom Wirt einfach konsequent gemisgendert. Plötzlich war ich wieder „er“. Mein Bauch krampfte sich zusammen, doch ich versuchte über den Dingen zu stehen, mich davon nicht runterziehen zu lassen. Zunächst dachte ich auch, genau das geschafft zu haben…und brach dann ein. Der Abend nahm seinen Verlauf und ich wurde stiller und stiller. Es nagte an mir. Mir ging es von Minute zu Minute schlechter und irgendwann nach Mitternacht, verabschiedete ich mich aus der Runde. Es ging nicht mehr. Das Misgendern, die vielen Menschen, meine Müdigkeit…alles zusammen ergab das eine unheilvolle Mischung.

Ich stand auf, um vor der Heimfahrt noch das örtliche WC aufzusuchen. Und schon als ich mich von meinem Sitz erhob, traf es mich wie der Blitz: ein Tabuthema, über das trans Frauen post-OP in der Regel nicht sprechen. Ich spreche von gesundheitlichen Folgen der OP. In meinem konkreten Fall heute spreche ich von Inkontinenz, die vor der OP definitiv nicht gegeben war. Nicht stark, aber dennoch spürbar. Im letzten Monat bereits der zweite Vorfall dieser Art und er beunruhigt mich. Warum jetzt? Warum ein drei Viertel Jahr nach der OP?

Eines bleibt dabei festzuhalten: die Nutzung von Toiletten ist seit der OP deutlich früher notwendig, als das vorher der Fall war.

Warum ich euch von diesem Tabuthema berichte? Weil ich es für wichtig halte, darüber informiert zu sein, dass so etwas bei einer GaOP passieren kann. Nicht muss. Und es ist auch nichts, was sich nicht mit etwas Beckenbodentraining wieder ins Lot bringen lassen wird, aber es ist eben eine späte Folge des Eingriffs und sie ist lästig.

Nun sitze ich jedenfalls warm eingekuschelt bei 18° Raumtemperatur auf meinem Bett und fühle mich irgendwie mies. Das Misgendern versuche ich zu vergessen und nicht zu persönlich zu nehmen. Das fällt mir jedoch schwer. Denn obgleich ich mir viel Mühe gegeben hatte, mein Passing hinzubekommen, wurde ich eiskalt in die männliche Schublade gesteckt. Das tut verdammt weh und genau das ist der Grund, warum ich all diese Eingriffe noch werde machen lassen. Ich bin es einfach leid, so behandelt zu werden! Ich will nicht mehr als „er“ angesprochen werden! Das ist nicht nur unsensibel, sondern sogar faktisch falsch. Wann ist dieser Mist endlich vorbei?! Ich bin es sooo leid!

Tja, ihr Lieben. So sieht ein ganz normaler Tag in meinem pubertären, post-operativen Irrsinn aus. Meistens komme ich irgendwie damit klar, aber der Abstand zum Rand der Klippe ist hauchdünn.

An Abenden wie diesen, hasse ich mein Transsein! Nein…das stimmt gar nicht. Präzise muss es heißen: ich hasse die gesellschaftliche hirn- und respektlose Reaktion auf meine Transidentität! Denn nicht ich habe diese Probleme verursacht. Wäre es eine Alltäglichkeit für alle Menschen, trans oder allgemein queer zu sein, wären viele Probleme schlicht und ergreifend nicht existent.

In diesem Sinne: „die Gesellschaft“ kann mich gerade mal!

 

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