Rückspiegel

Mein Urlaub ist bedauerlicherweise schon zu Ende. Die drei Wochen vergingen wie im Flug und einiges ist passiert in der Welt (Stichworte EM, 4. Welle dank Delta-Variante und Unwetter in NRW). Und mit mir. 

Mein letzter Blogeintrag liegt schon eine ganze Weile zurück. Mir fehlte schlicht die Energie und die Ruhe dafür. Andere würden sagen: ich hatte andere Prioritäten. Well, kind of. Nicht immer ganz freiwillig…

Nun sitze ich auf meinem zerwühlten Bett und einer Wohnung, die nach drei Wochen zu dritt wieder nach Ordnung schreit. Denn zusammen mit meinem Urlaub ging heute auch die gemeinsame Zeit mit meinen Kindern für die nächsten Wochen zu Ende. Da wo heute Morgen noch um das vermeintlich bessere Croissant gestritten wurde, herrscht nun Stille. Selbst die Alexa, die sonst Benjamin Blümchen oder Bibi Blocksberg spielen durfte, schweigt jetzt still, nachdem ich sie genervt aus dem Strom zog, da sich die Mädels mal wieder um die Gerätehoheit stritten. Puh.

Ach, wem mache ich etwas vor?! Die Zeit mit den Kindern ist unbezahlbar wertvoll und gleichzeitig doch anstrengend, denn für diese 3 Wochen war ich quasi die alleinerziehende Mama, jedoch fehlte uns allen weitgehend der Raum für uns alleine. Ja, es gab definitiv Ausnahmen, die ich ganz maßgeblich meiner Mama zu verdanken habe und für die ich sehr dankbar war. Dennoch habe ich dann immer ein schlechtes Gewissen, als würde ich die Kinder “abschieben”.

Kennt ihr das?! Einerseits weiß man, dass es für die eigene Balance genau das Richtige ist und dennoch fühlt man sich irgendwie schuldig gegenüber den Kindern? Ziemlicher Unsinn eigentlich, oder?

Wie auch immer. Mir fehlte jedenfalls mein so wichtiger Freiraum und die Ruhe, um mit mir im Gleichgewicht bleiben zu können. Den Mädels fehlten ihre Freunde, ihre Halbschwester und nicht zuletzt die Haustiere. Als meine ältere Tochter gestern Abend äußerte, wie sehr sie sich auf “zu Hause” freue, versetzte mir das schon einen ziemlichen Stich ins Herz. Sie zeichnete da bewusst oder unbewusst eine klare Linie, wo sie sich hingehörig fühlt.

So recht weiß ich noch nicht, wie ich diesen Urlaub einordnen soll. Es gab so viele tolle Momente:

Gemeinsames Backen und Kochen.
Abends Brettspiele spielen.
Zusammen den Bauernhof erkunden.
Nachtwanderungen machen und gruselige Tierrufe hören. Vom Hofhund dabei ertappt werden.
Den Ruf eines Tieres recherchieren und die neue Gattung “U(h)rzeiteule” dabei erfinden.
Baden im Starnberger See nach einer langen Wanderung.
Im Freibad ins Kühle Nass springen.
Die große Leinwand im Kino nebst tonnenweise Popcorn genießen.

Und auch einfach die kleine Momente.
Den warmen Kopf meiner Tochter auf meinem Bauch und die Vertrautheit spüren, als wir gemeinsam ein englischsprachiges Buch lasen.
Fangen spielen.
Das gemeinsame abendliche Zähneputzen und anschließendes Einkuscheln ins Bett.
Oder abwechselnd Worte ausdenken, aus denen ich für die Logopädie spontan Sätze bilden sollte, um meine Spontansprache zu trainieren.

Da war so viel Liebe in diesen Wochen. Und dennoch auch Frust und Ärger. Konflikte. Vornehmlich zwischen den Kindern, die ich anfangs noch geduldig in Gesprächen schlichten konnte, gegen Ende der Ferien mir jedoch die Ressourcen fehlten und dann auch schon mal ein Tag Medienverbot ausgesprochen wurde – was mir eigentlich eher widerstrebt.
Warum das alles so passiert, sehe ich relativ klar und mit täglichen Tagesrückblicken im agilen Stil besprachen wir diese auch. Dennoch muss ich feststellen, dass unsere, respektive meine Bewältigungsstrategien für derlei Situationen noch nicht optimal sind. In jedem Fall habe ich energetisch die 3 Wochen über meine Verhältnisse gelebt, da ich gerne für die Kinder da bin und Zeit mit ihnen verbringe. Ich habe allerdings den Zeitpunkt verpasst, mich um mich selbst zu kümmern und Zeit für mich einzufordern, was mich speziell die letzte Woche sehr ausgelaugt hat. Alt bekannte Baustelle und allen Verlautbarungen nach ein Phänomen, mit dem viele Frauen zu kämpfen haben: angemessen Grenzen setzen und für das eigene Wohl sorgen. Eine Baustelle, die mir – logischerweise – weder Östrogene noch GaOP’s abnehmen können. Schade eigentlich…alles muss man hier selbst machen, echt… 😉

Vor einigen Tagen ereilte mich dann zusätzlich noch etwas, was meine Perioden-App schon prognostiziert hatte: PMS-ähnliche Symptome. Einige Tage begleiteten mich diffuse Kopfschmerzen, Bauchkrämpfe und vor allem schlechte Laune. Ich wurde deutlich (!) schneller reizbar (siehe Medienverbot) und für zwei, drei Tage kämpfte ich mit der bereits bekannten Dysphorie, der ich mit dem Vermeiden von Spiegeln und spiegelnden Oberflächen zu begegnen versuchte – mit eher mäßigem Erfolg.

Heute ist tatsächlich der erste Tag, an dem es wieder bergauf geht. Mein erster Zyklus, den ich in meiner App aufgezeichnet habe, ist damit abgeschlossen. Und zu meiner riesigen Überraschung liegt er erstaunlich nah am zeitlichen Verlauf einer Cis-Frau. Ein Zyklus allein ist natürlich noch nicht sonderlich aussagekräftig, aber ich werde die App fleißig weiter mit Daten füttern, um für mich daraus mehr Erkenntnisse zu bekommen und die Phasen, in denen es mir schlecht geht, besser einordnen zu können.

Schritte in der Transition

Um noch einmal im Urlaub zurückzuspulen: über den wichtigsten Schritt für meine Transition in diesem Urlaub schrieb ich ja bereits. Das waren meine Vorgespräche zur GaOP und mit etwas zeitlichem Abstand kann ich sagen, dass ich mich mit der Entscheidung für Dr. Taskov sehr wohl fühle und mich sehr auf diesen Schritt freue. Ausgenommen an den Tagen, an denen es mir schlecht ging, da plagten mich auch durchaus Gedanken, dass das alles doch ohnehin nur Unsinn sei und wofür ich das eigentlich alles machen würde. Auch diese Gedanken scheinen in diesem Zyklus von aktuell ca. 29 Tagen aufzutreten. Wirklich faszinierend. Obgleich ich auf diese Gedanken nun wirklich verzichten könnte.

Neben den Gesprächen in München ließ ich noch zwei Termine Nadelepilation über mich ergehen, so dass mein Kinn nun schon zu großen Teilen bartfrei ist. Wobei ich sagen muss, dass an der Stelle, an der wir vor Wochen begonnen hatten, schon wieder einzelne Barthaare sprießen. Aber bestenfalls 5% der Ursprungsmenge. Dennoch: es wird. Langsam, aber es wird.

Heute hatte ich in diesem Kontext ein…sagen wir “bemerkenswertes” Erlebnis. Ich hatte mich für den Tag wie immer geschminkt (was mir nebenbei bemerkt immer mehr auf die Nerven geht). Dennoch gefiel ich mir nicht so sehr. Das war schonmal anders gewesen. Das mag aber auch daran gelegen haben, dass mein Gesicht seit der Nadelepilation noch etwas geschwollen ist und ich etwas “unförmig” aussehe. Doch als ich mich dann abends abschminkte, passierte etwas, womit ich nicht gerechnet hatte:

Ich hatte meine Haare zu einem Pferdeschwanz gebunden und eine Strähne rahmte mein Gesicht etwas ein. Ich fuhr mit dem Abschminktuch über das bereits epilierte Kinn und fühlte die glatte Haut. Sowie das MakeUp verschwand, kam meine glatte Haut darunter zum Vorschein. Ein bereits bemerkenswert großes Stück Haut. Und plötzlich gefiel ich mir so halb abgeschminkt viel besser im Spiegel. Es war, als würde ich eine Maske abnehmen und langsam aber sicher mein echtes Gesicht erscheinen. Bislang nur kleine Teile, doch sie würden größer werden. Von Woche zu Woche. Kurz fühlte ich Schmetterlinge im Bauch.

War das ein Vorgeschmack auf die Zeit nach der Nadelepilation, in der ich mein MakeUp auf ein Minimum beschränkten könnte? Das wäre so toll! Wenn dann noch der Haaransatz um ein großes Stück nach vorne versetzt wäre…zusammen mit dieser locker fallenden Strähne und einem ordentlichen Pferdeschwanz…my dear…mir kommen die Tränen…

Das sind die Momente, die es zu erinnern gilt. Die kleinen Fortschritte sind es, die mir Kraft geben, um auch durch die heftigen Krisen zu kommen. Und sogar so kleine Bemerkungen meiner jüngeren Tochter, die in verschiedenen Kontexten immer mal wieder beinahe freudig erregt anmerkt, dass ich zwar aktuell noch männliche Genitalien habe, aber die ja bald weg sind, geben mir Kraft. Als sei das für sie ein genauso großes Event wie für mich. Wie süß ist das denn bitte?!
Genauso wie das spontane Wortsuchen heute (s.o.). Oder der Umstand, dass sich alle Mädels, die mit mir im Urlaub waren, gemeinsam daran gemacht haben, die Stellen auf meinem Rücken zu waxen oder zu epilieren, an die ich selbst nicht drankomme, damit ich mich am nächsten Tag im Schwimmbad nicht unwohl fühlen musste. Mir kommen schon wieder die Tränen, wie unglaublich süß das ist…
(Ich kam mir ein wenig vor wie bei den Villanuevas in “Jane the Virgin”, wo sich Großmutter, Mutter und Tochter immer von Herzen mit allem unterstützen.)

Ach je. Dieser Artikel erscheint mir noch konfuser und ungeordneter als so manch anderer, den ich bisher schrieb. Aber egal. Ist ja meiner. 😉 Dabei wollte ich noch ein paar Worte zur Logopädie verlieren:

Vergangene Woche fand nach 14 Tagen Pause wieder ein Termin statt. Mit wahnsinnig schlechtem Gewissen gestand ich meiner Logopädin, dass ich im Urlaub kein bisschen geübt hatte. Außer die Klassiker an der Supermarktkasse oder so. Aber das zählt für mich nicht. Zu meiner Erleichterung nahm sie das sehr locker und meinte, das wäre ok. Es gäbe eben solche Phasen – zumal ich ihr vorher von meinen Symptomen berichtet hatte, die auf meinen Zyklus hinwiesen. Ich schien ihr damit aus der Seele zu sprechen – offenbar sind meine Erlebnisse in diesem Bereich recht nah an den ihren.

Also schoben wir den eigentlich Plan auf, einen freien Vortrag vor der Kamera zu halten und zogen stattdessen einzelne Wörter und bildeten spontane Sätze, wie oben beschrieben. Glücklicherweise war ich nach den 14 Tagen noch immer in der Lage, meine Stimme nach kurzer Findungsphase wieder einzusetzen. Es war nur wieder ungewohnter, qualitativ war meine Logopädin aber so zufrieden, dass sie mir nahelegte, sie so auch weiter verstärkt im Alltag einzusetzen. Ein Umstand, bei dem ich immer noch ein klopfendes Herz bekomme, obwohl es objektiv betrachtet mein Leben einfacher machen sollte, da die Dissonanz zwischen Optik und Stimme kleiner werden sollte.

Aber um es ganz einfach zu formulieren: ich traue mich (noch) nicht.

Und nu?

Tja. Montag geht die Arbeit wieder los, obgleich ich mich kaum erholt fühle. Klingt bitter, ist aber so. Nein. Offen gestanden bin ich total gestresst und bräuchte jetzt nochmal mindestens zwei Wochen irgendwo am Strand und All Inclusive, um wieder halbwegs in die Spur zu kommen. But this is not going to happen, girl! Stattdessen geht der Alltag wieder ganz normal weiter und es warten wieder Logopädie, Nadelepilation und Gruppentherapie auf mich. Und meine zweite Corona-Impfung (endlich!). Und der nächste Kontrolltermin der HRT bei meinem Gynäkologen nach 10 Monaten. Und und und…

Dann ist auch schon August.
Und nur 2 Monate weiter darf ich dann den Antrag auf Kostenübernahme für die GaOP einreichen.
Das ist alles nicht mehr so weit weg…

Bis dahin wird mein Fokus ganz klar auf der Nadelepilation und der genauen Verfolgung meines Zyklus liegen. Ersteres macht mich von Mal zu Mal glücklicher und auf Letzteres bin ich einfach super gespannt, ob sich der Zyklus tatsächlich in dieser Form einpendelt oder ob das doch alles nur Eintagsfliegen waren. Mein Bauchgefühl (das mich noch nie belogen hat) sagt mir aber, dass mein Körper jetzt so langsam die Kurve kriegt mit dem Östrogen und sich alles stabilisiert (bis zur nächsten Änderung der Dosis, höhö).

Was bleibt ist die wiederholte Erkenntnis, dass ich mir neben Arbeit und Terminen so viel Zeit für mich nehmen sollte, wie ich kann. Zeit für entspannende Dinge. Dinge wie etwa Spaziergänge im Wald. Oder Wandern. Oder Freunde treffen. Oder zur Maniküre / Pediküre. Oder Kino. Oder Shopping. Oder oder oder…

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