Augerine & Stößel

Wow. Seit Montag quillt mein Kopf über von Versen, Gedanken, Zeug, das ich aufschreiben möchte.
Warum und woher? Keine Ahnung. Aber dazu gleich mehr.
(ja, das hat sich absichtlich gereimt)

Lass mich zunächst ein paar Worte über den heutigen Tag verlieren. Um es kurz zu machen: er fing scheiße an, ging noch viel scheißiger weiter und kriegte am Ende dann zum Glück doch noch die Kurve.

Achtung, Explicit Content. Der folgende Text kann unkontrollierte Emotionsausbrüche enthalten.

Der Vormittag war geprägt von scheinbar unüberwindbaren technischen Problemen im Job, die sich in der Nichtnutzbarkeit eines bestimmten Tools äußerten. Als Sahnehäubchen gab es dann noch von Nichtfertigstellung überquellende Softwareentwicklungen zum Nachtisch. Und egal wie man die Ursachenforschung dreht und wendet, es läuft stets auf das Selbe hinaus: Personalmangel. Ein Thema seit Jahren und es ändert sich, richtig: nichts!

Aber ich will mal keine Meckerziege sein. Obwohl, doch! Ich will jetzt gerade mal nicht altklug alles schön reden und Fehler immer nur bei mir selbst suchen. Das mache ich jedes Mal und nehme damit jegliche Verantwortung auf mich. Pff…ihr spinnt wohl! Ich betreibe heute mal bewusst Fingerpointing. Eigentlich überhaupt nicht mein Ding, aber hey! Öfter mal primitives Verhalten an den Tag legen verändert möglicherweise den Blickwinkel. Ja, es kotzt mich an! Weil es seit Jahren bekannt ist und es offenkundig scheißegal ist. Doch weiß du was, Tagebuch? Am Ende kriegen wir das schon irgendwie wieder in den Griff. Wie immer. Irgendwie geht es immer weiter. Nicht gut, aber es geht weiter. Krönchen richten, weiterschreiten. Tzz.

Der Mittag wurde sogar noch besser. Diesmal privat. Habe ich hier schon mal von den unglaublichen Abenteuern einer Scheidung und den damit verbundenen Unterhaltszahlungen berichtet? Möglicherweise. Jedenfalls erreichte mich heute ein Schreiben eines Anwalts, das an Dreistigkeit und Unverschämtheit kaum zu überbieten war. Wohl formuliert und rechtlich einwandfrei, da kann man nichts sagen. Aber der Ton macht immer noch die Musik. Die Details möchte ich an dieser Stelle nicht vertiefen und sie tun auch nichts zur Sache. Meine Anwältin versicherte mir jedoch mit ächzendem Unterton, ein solch unmögliches Verhalten habe sie auch noch nie erlebt. Juhu.

Nicht nur dieses Erlebnis bestärkt mich in der Gewissheit, die Ehe als Institution und die damit verbundene Rechtsordnung ganz grundsätzlich scheiße und vollkommen veraltet zu finden. Aber das ist ein Thema für sich.

Ja, das ist alles fürchterlich polemisch, ich weiß. Lies zwischen den Zeilen. Aber das tut mir nicht leid. Leid. Gutes Stichwort. Ich bin es leid, immer alles weichgespült in die Umwelt zu kommunizieren, um möglichst reflektiert und sachlich mit den Dingen umzugehen. Meistens tue ich das auch, denn ich möchte niemanden zu Unrecht beschuldigen und mich einfach unreflektiert über Dinge aufregen, an denen ich möglicherweise auch einen Anteil habe.

Aber heute bin ich stinkwütend und ja, ich werde daraus Konsequenzen ziehen, denn heute wurde eine Grenze überschritten. Und weißt du was, liebes Tagebuch? Das ist gut so. Ich war früher immer der brave Mann, der niemals “Nein” sagte. Ich habe alles runtergeschluckt, um Konflikten aus dem Weg zu gehen. Versucht, Interessenskonflikte diplomatisch zu lösen und Kompromisse zu finden. Denn so wurde ich erzogen. Und generell schätze ich diesen Ansatz sehr. Doch in dieser einen Sache stand er mir im Weg. Wenn eine menschliche Verbindung, ich sage bewusst nicht “Beziehung”, daraus besteht, dass einer gibt und der andere immer nur nimmt, ist das mit Kompromissen nicht mehr zu beheben. Denn bei Kompromissen gibt immer der nach, der ohnehin schon gibt. Beziehungen sollten ein Geben und Nehmen sein. Ein Austausch, der sich stets im Fluß befindet.

Weißt du, ich träume von einer Beziehung auf Augenhöhe. Offen. Ehrlich. Wo beide miteinander reden und einander respektieren. Sich mal anlehnen können, in beide Richtungen. Aber gleichsam können beide auch allein stehen, ohne den anderen zu brauchen. Abhängig zu sein.

Ach, ich schweife ab und ertappe mich bei romantischen Gedankenspielen. Neuerdings durchaus mit Männern. Witzig. Zeitlich korreliert das Ganze mit der Erhöhung der Hormondosis. Ebenso wie immer häufiger auftauchende Glücksgefühle. Hassausbrüche wie heute finden glücklicherweise fast nie statt, das beschränkt sich tatsächlich auf einen einzigen Menschen auf diesem Planeten und ich bin mir sicher, eines Tages wird mich all das nicht mehr triggern.

Um jetzt aber mal hart die Kurve zum positiven Abschluss des Tages zu kriegen: ich hatte heute mein erstes Vorgespräch zur Nadelepilation. Es braucht dazu unter anderem eine fachärztliche Stellungnahme und eben diese habe ich heute mit einem netten und ausführlichen Gespräch bei einer erfahrenen Ärztin initiiert.
Was in diesem Zusammenhang ausgesprochen unangenehm war, war das Verlassen der Wohnung ohne MakeUp. Ich war zwar rasiert, um meinen Bartwuchs begutachten zu können, sollte ich aber natürlich nicht geschminkt sein. Dankenswerterweise gibt es aber diese tollen Nase-Mund-Deckel, die das Gröbste vor der Außenwelt verstecken. Damit wurde es dann wieder halbwegs erträglich.

Wieder ein Schritt weiter. Yes! Nächster Halt: das Einholen einer Kostenschätzung bei der Behandlerin. Ich bin mal sehr gespannt, wie viele Einheiten sie für mich veranschlagen wird. Eine andere Transfrau aus meiner Therapiegruppe bekam 120 Stunden genehmigt, ich vermute mal, dass ich in einem ähnlichen Rahmen unterwegs sein werde.

Wow…120 Stunden. Bei einem Termin in der Woche dauert das dann doch eine ganze Weile…

 

Überquellender Kopf

Kommen wir endlich zum kreativen Teil. Als ich wieder daheim war, konnte ich kaum aufhören zu schreiben. Wie auch hier jetzt. 🙂 Ich hatte einem Bauchgefühl folgend einen hübschen Füller gekauft. Ursprünglich sollte er dazu dienen, das gleiche Gedicht für meinen Gutachter aufzuschreiben, da ich mit dem Gedanken spiele, ihm den Text als kleines Geschenk zu überreichen. Wann bekommt man schon einmal solch persönliche Statements? Ich denke, er würde sich freuen.

Dass daraus nun aber ein wahrer Schreibwahn ergeben würde, damit hatte ich nicht gerechnet. Drei Texte wurden aus meiner Brainwriting Session, die hier ihren Platz verdient haben. Den Anfang macht ein kleiner Brief an mich selbst. Er baut auf dem Zwiegespräch der inneren Kinder von gestern auf und vermischt Außenperspektive mit Selbstgespräch:

Meine Liebe,

lange warst du gefangen.
Gefangen in einem falschen Körper.

Lange hast du gelitten, dich gequält.
Dich quälen lassen. Von ihnen.

Doch du bist stark, meine Liebe.
Du hast gelernt, alleine zu stehen.
Deine Frau zu stehen. Manchmal mit blutiger Nase und manchmal etwas zaghaft.
Doch eines hat dich niemals betrogen: deine Intuition.

Daher höre weiterhin auf dein Bauchgefühl und es wird dich gut leiten.

Alles wird gut. Alles ist gut.

Ich liebe mich.

Julia

Weiter ging es mit vermischten Bildern im Kopf von heute Abend, als ich zu meinem Arzttermin fuhr. Ich habe versucht, meine Wahrnehmungen meiner selbst in diesen Augenblicken zu greifen und zu beschreiben, was meine Reise für mich bedeutet, wohin sie mich führt:

Bauchkribbeln

Blick aus dem Augenwinkel.
Blick in den Rückspiegel.
Blick in die Augen. Sie.
Blick auf die Wangen. Er.
Blick auf die Lippen. Sie.
Blick auf das Kinn. Er.

Abgewandter Blick, zurück zur regennassen Straße.
Blick in die Augen. Bauchkribbeln.
Blick auf die Wangen. Abscheu.

Es springt auf Grün.
Nur nach vorne, dem Navi nach.
Bis alles vergangen ist.
Bis nur noch eines bleibt:

Bauchkribbeln

Und zu guter Letzt schossen mir Gedanken über mein Schreibwerkzeug durch den Kopf. Ich ließ sie auf Papier fließen und das hier kam dabei heraus:

Aubergine

Dies. Ist mein Füller.
Er ist neu. Willkommen in meinem Leben.

Er liegt etwas kantig und ebenso sanft in meiner Hand. Seine Farbe passt zu meinem Nagellack.
Reiner Zufall.

Aubergine.

Ich denke, so nenne ich ihn. Meinen Füller. Aubergine.
Er ist ein Er. Und doch eher eine Sie.

Sie hat jedenfalls Profil.
Manchmal kratzig, wenn es zu wild wird.
Sanft und schmeichelnd in den wohlgeformten Kurven. Zum Beispiel beim “W”.
W. Wie Wasser. Das mag sie.

Und ebenso eckig wie auch sanft, bringt sie meine Ecken und sanften Gedanken zu Papier.
Liniert. Alltagspapier. Nichts Besonderes.

Doch Aubergine auf Papier, Feder, Tinte, toter Baum. Ja, das ist auf seine ganz eigene Weise perfekt.
Eckig und sanft.

Witzig. Wie wir Menschen.
Und dabei ist sie nur ein Füller.

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