Im Augenblick überschlagen sich wieder einmal die Ereignisse und erfordern zwei wesentliche Fähigkeiten: Priorisierung und Selbstfürsorge. Heutige Priorität: ein Besuch beim Friseur.
Ihr Lieben,
könnt Ihr euch vorstellen, wie lange ich auf diesen Tag hin gefiebert habe? Ich verrate es euch!
Seit dem Tag, als ich feststellen musste, dass mein natürliches Haar (noch) nicht für eine weibliche Frisur reichen und ich (vorerst) eine Perücke tragen würde. Das ist bald 3 Jahre her.
Damals entwickelte sich der große Traum, eines fernen Tages mit meinen eigenen Haaren zum Friseur zu gehen und mich, wie alle anderen Frauen auch, für teures Geld stylen zu lassen. 🙂
Heute war dieser Tag! Die Haartransplantation liegt nunmehr 7 Monate zurück, die Haardichte nimmt gefühlt täglich zu und auf meine Perücke verzichte ich ja bereits seit Februar. Ungelogen ist das ein absoluter Meilenstein in Sachen Lebensqualität!
Den Anstoß für den heutigen Friseurbesuch gab jedoch ein völlig anderes Ereignis: eine relativ spontane Einladung zu einer Hochzeit, auf die ich mit meiner besten Freundin werden gehen können.
YEYYY!!!
Diese besondere Gelegenheit, mich chic zu machen, konnte ich natürlich nicht verstreichen lassen und suchte relativ hektisch nach kurzfristigen Optionen. Meine anfängliche Idee, für den Morgen der Hochzeit eine Visagistin für MakeUp und Haarstyling zu engagieren, verlief mangels freier Termine und/oder völlig überhöhter Preise sehr schnell im Sande. Also musste eine andere Idee her!
Welche Frisur konnte ich mir auch Tage vorher machen lassen und konnte dennoch sicher sein, dass sie am Hochzeitstag noch gut aussah?! Da kam eigentlich nur eine in Frage: die Dauerwelle! Und zwecks Auflockerung der Haarfarbe hätte ich gerne noch Strähnchen. Wenn schon, denn schon! 🙂
Zwischen Arbeit, Arztterminen, Bartepilation, Papierkrieg mit der Krankenkasse wegen meines Brustaufbaus (das ist ein Thema für sich) und dem Versuch, Zeit zum Relaxen zu finden, erkor ich mir einen Friseur als mein Servicedienstleister aus und stiefelte relativ ahnungslos hinein. Ich schilderte grob mein Anliegen, wurde dann leider zwecks Schutzes meiner Haarstruktur von der Idee abgebracht, Dauerwelle UND Strähnchen gleichzeitig zu machen und entschied mich dann schließlich nur für die Dauerwelle. Die Strähnen folgen dann in ein paar Wochen. Schließlich will ich meine mühsam gezüchtete Matte nicht verlieren – das wäre ja der absolute Albtraum!!!
Gesagt, getan. Mit klopfendem Herzen fuhr ich dann heute Vormittag in die Stadt, suchte ewig nach einem Parkplatz (Müsst ihr alle nicht arbeiten?! Was macht ihr alle in der Stadt?!) und kam schließlich aber doch noch pünktlich im Salon an. Ich wurde freundlich und gut gelaunt empfangen, was mein klopfendes Herz ein wenig beruhigte. Ach so – warum es so doll klopfte, fragt Ihr euch?
Zum Einen, weil dies mein erstes Mal beim Damenfriseur war. Premiere! Ein weiterer Schritt aus der Komfortzone. Und zum Anderen, weil ich morgen wieder zur Bartepilation fahren darf und entsprechend mit herangezüchtetem 3-Tage-Bart zu meinem Termin erscheinen musste, den auch drei Lagen MakeUp nicht zu verdecken vermochten.
Aber, wisst ihr was? Außer mich störte es niemanden! Ich war (bin) „Frau Kalder“ und wurde auch so behandelt. Ich outete mich nicht, das hatte ich mir fest vorgenommen. Das habe ich gar nicht mehr nötig. Zwar sprach ich meine Haartransplantation an, weil meine Haare an Stirn und Hinterkopf noch entsprechend kurz sind. Aber das war’s dann auch.
Meine gut gelaunte Friseurin quittierte das ohnehin lediglich mit dem Kommentar, dass sie auch eine Freundin habe, die viele Haare verloren habe und seither Perücke trage. Das seien halt die Hormone, da könne man nix machen. Schulterzucken. Ich stimmte ihr zu und wir lachten, gemeinsam die Kapriolen der Natur hinnehmend. Thema erledigt.
Schnitt. Kurzer Themenwechsel.
Kennt ihr das (Hör-)Buch „Achtsam morden„? Ich begann es vergangenes Wochenende zu hören, während ich mit geschlossenen Augen im Schatten meines riesigen Sonnenschirms (danke, liebe Mama!) auf dem Balkon lag. Wenn ihr mich fragt: großartig! Der Sonnenschirm und natürlich auch das Hörbuch. 🙂
Natürlich gibt es einen Grund, warum ich es hier erwähne: zu Beginn jedes Kapitels werden Merksätze zum Thema Achtsamkeit rezitiert, obgleich es sich bei dem Buch um einen Roman handelt. Besonders blieb mir ein Mantra im Gedächtnis:
Wenn ich A tue, tue ich A.
Wenn ich B tue, tue ich B.
Soll heißen: wenn ich eine Sache tue, konzentriere ich mich darauf und tue nichts anderes nebenher. Eigentlich ist das kein Hexenwerk, das lernt man schließlich in jedem halbwegs anständigen Seminar zum Thema Zeit-, Ziel- und Selbstmanagement.
Dennoch schoss mir dieses Mantra heute des Öfteren in den Kopf, als ich meine gut 2 1/2 Stunden im Salon verbrachte. Immer wieder begannen meine Gedanken zu tanzen: „XYZ hatte ich noch zu erledigen. Und ABC auch noch. Ach je, wann genau ist nochmal der Termin nachher? Komme ich pünktlich ins Büro? Wie spät ist es jetzt? Ok, passt alles! Ach, und Person X wollte ich ja auch noch anschreiben. Und in den Drogeriemarkt sollte ich nachher ebenfalls noch fahren, schließlich brauche ich Schaumfestiger für meine neue Mähne. Hoffentlich denkt die Friseurin nichts Komisches über mich, weil ich einen Bartschatten habe. Ach, Süße, das kann dir doch egal sein! Du bist du und du stehst dazu!“
Und so weiter…
Wer von euch kennt das auch? Hand hoch!
Mein Hirn stand also kurz vor einem TILT. Überlastung. Ich atmete kurz ein. Und wieder aus. Fühlte meine Anspannung. Und dann sagte ich mir: „Wenn ich meine Haare gewaschen bekomme, bekomme ich meine Haare gewaschen. Wenn ich beim Friseur bin, bin ich beim Friseur…“
Alles andere kommt später. Darum mache ich mir einen Kopf, wenn es soweit ist.
Und, oh Wunder! Es funktionierte. Es zentrierte mich im Hier und Jetzt. Es ließ mich den Moment genießen, wie sich meine Friseurin allein um meine Haare kümmerte. Wie sie meine Kopfhaut massierte. Wie sie mir erklärte, was sie da tat und wie ich später meine Haare würde pflegen können. Ich war ganz und gar im Moment. Zumindest für eine Weile, denn das Prozedere wiederholte sich einige Male. „Wenn ich unter der Heizhaube sitze, sitze ich unter der Heizhaube. Wenn ich atme, dann atme ich…“
Jetzt gerade gilt: „Wenn ich meinen Blogartikel schreibe, schreibe ich meinen Blogartikel. Wenn ich meinen Blogartikel Korrektur lese, lese ich ihn Korrektur. “ Achtsamkeit kann so einfach sein, wenn man den Dreh einmal raus hat. 🙂
Es passiert noch immer viel in diesen Tagen. Mein Kalender droht überzulaufen. Viele Termine, privat und beruflich. Aber „Achtsam morden“ hat mir geholfen, das alles etwas gelassener hinzunehmen und auch mein kleines bisschen Restscheu vor dem Besuch beim Friseur abzulegen. Und wie sich zeigte, war alles am Ende super entspannt und es hieß: „So, Frau Kalder. Dann können Sie sich schon einmal hier hin setzen. Darf ich Ihnen etwas zu Trinken bringen?“
Ja, ihr Lieben…das war ein super tolles Erlebnis heute und ich kann einfach nur immer wieder feststellen: es ist sooo schön, eine Frau zu sein! Ich liebe es!!! Und daher möchte ich diesen Artikel mit meinem Mantra des Tages schließen:
„Wenn ich mich angekommen fühle, fühle ich mich angekommen!“
Alles Liebe,
Julia
[…] ihr Lieben! Im Anschluss an den letzten Artikel stürmten viele von euch auf mich ein und wollten gerne meine neue Frisur nach dem Friseurtermin […]