Bereit für den CSD Düsseldorf

Hinter mir liegt ein langes Wochenende voller vielschichtiger und bunter Eindrücke. Warum ich mich trotz drückender Hitze und riesigen Menschenmassen wohl gefühlt habe und was das mit meiner Transition zu tun hat, verrate ich euch im heutigen Artikel. 

Ihr Lieben,

mit müden Beinen und meinem dritten Kaffee liege ich gerade gemütlich auf meinem Bett, lasse den warmen Wind durch meine Dachgeschosswohnung pusten und genieße jeden Lufthauch. Heute ist ein Tag der Ruhe und Entspannung für mich, denn die letzten Tage waren übervoll von Eindrücken und körperlicher Anstrengung, für die ich Zeit zum Verarbeiten brauche.

Müsste ich ein Highlight des Wochenendes auswählen, hätte ich doch arge Schwierigkeiten, mich zu entscheiden. Der Freitag begann bereits um 6 Uhr früh für mich, denn es stand eine Hochzeit von Freunden auf dem Programm, zu dem ich mit meiner besten Freundin eingeladen war. Die zwei Wochen zuvor hatten wir mit freudig-nervöser Anspannung verbracht, Kleider ausgesucht, über Frisuren nachgedacht, Geschenke besorgt und uns wie Schneeköniginnen auf den Festtag gefreut. Und so passte an diesem Tag dann auch alles perfekt. Unsere Kleider standen uns prächtig, meine Mama zauberte mir eine tolle Hochsteckfrisur am frühen Morgen und wir führten uns selbst stolz im Standesamt und bei der anschließenden Feier aus.
Natürlich konnten wir uns den Spaß nicht verkneifen, ließen uns beide mit romantischen Blicken in die Augen vor dem Standesamt fotografieren und teilten die Bilder in den sozialen Medien – natürlich mit der Absicht, unsere Follower ein wenig auf die Schippe zu nehmen und den dezenten Eindruck zu vermitteln, als hätten wir selbst geheiratet. Im Anschluss folgte selbstverständlich die Auflösung, die allerdings nicht alle mitbekamen. Und so hagelte es von allen Seiten Glückwünsche – und anschließend Nachrichten wie: “Okay, der Scherz war gelungen! Ich hätte es euch dennoch gegönnt.” 🙂

Just married Hochzeit bei Freunden J. und ich auf einem Motorrad bei der Hochzeit

Nun, ihr Lieben! Im Anschluss an den letzten Artikel stürmten viele von euch auf mich ein und wollten gerne meine neue Frisur nach dem Friseurtermin sehen. Damit hatte ich ja schon gerechnet, allerdings gefielen mir meine Selfies nicht besonders, daher waren sie kein Bestandteil des Artikels. Nun reiche ich das heute aber gerne nach – im Titelbild und den anderen Bildern in diesem Artikel gewinnt ihr einen kleinen Eindruck der wilden Dauerwellenmähne.

Als meine Jüngste eins der Bilder sah, kommentierte sie nur kurz: “Was ist denn mit deinen Haaren passiert?!” 🙂
Ja, die neue Frisur ist durchaus gewöhnungsbedürftig und ich bin mir noch nicht sicher, ob ich sie dauerhaft beibehalten werde. Ebenso wie ich hin und her gerissen bin, fiel auch das Feedback von Freunden und Familie aus. Meine Reitlehrerin meinte: “Ich bin mir noch nicht sicher, was ich lieber mag.” Freunde hingegen begutachteten das Ergebnis mit: “Eine große Veränderung, aber eine gute!

Tatsächlich gibt es Bilder, auf denen ich die voluminösen Locken super schön finde. Dann wiederum gibt es Bilder, wo dann doch die dünnen Fusseln wieder hervorstechen und es ausschaut, als habe ich in eine Steckdose gefasst. 🙂 Was ich aber positiv bewerte, ist das gefühlt größere Volumen. Obgleich die Haare natürlich noch die selben sind, fühlen sie sich griffiger und voluminöser an. Und sehen auch nach mehr aus. Allerdings hat sie die Chemiekeule auch ordentlich strapaziert, so dass die Griffigkeit mit dem Preis einer abgestumpften Struktur einhergeht. Beim letzten Haarewaschen hielt ich plötzlich auch einige Haare in der Hand…au weia.

Wie dem auch sei, es war auch eine Art Test, mich mit meinen Haaren und femininen Frisuren auseinander zu setzen. Es wird sicherlich noch einige Experimente benötigen, um eine zufrieden stellende Lösung für mein feines Haar zu finden – ein Prozess, den cis Frauen bereits in der Kindheit und Jugend durchlaufen und den ich jetzt endlich mit viel Freude und Wohlgefühl nachholen darf. 🙂

Doch zurück zu der wunderbaren Hochzeitsfeier. Zum Drumherum will ich gar nicht so arg viel sagen, denn es war einfach alles perfekt. Die Deko, das Essen, die Menschen, die Location…meine liebe J. und ich hatten viel Spaß und fühlten uns pudelwohl. Das lag aber auch nicht zuletzt daran, dass wir vollkommen normal und selbstverständlich als Frauen behandelt wurden. Diese Erfahrung habe ich ja in der letzten Zeit häufiger gemacht und so bestand auch keinerlei Bedarf, sich in der Hochzeitsgesellschaft zu outen. Zwar hatte die Braut wohl einzelne Personen bereits vorab informiert, um eventuellen Irritationen vorzubeugen, in welchem Umfang und bei wem sie das getan hatte, weiß ich jedoch nicht. Jedenfalls verbrachten wir fast den ganzen Tag und Abend mit einem netten Pärchen und hatten unwahrscheinlich viel Spaß. Anhand diverser Mädelsthemen wurde auch schnell klar, dass wir selbstverständlich dazu gehörten. Ihr merkt aber sicher, dass diese Begebenheiten für mich noch immer nicht selbstverständlich sind. Eigen- und Fremdwahrnehmung eben. Aber genau solche Erlebnisse helfen mir dabei, eben jene Wahrnehmungen mehr und mehr in Einklang zu bringen und ich bin sicher, es wird der Tag kommen, an dem all diese Dinge auch für mich komplett selbstverständlich sein werden.

Was bereits in Fleisch und Blut übergegangen ist, sind die allgemeinen Gepflogenheiten, die Frauen auf solchen Events pflegen. So zum Beispiel das Tragen von hübschen, aber in der Regel eher unbequemen Pumps oder High Heels. Das gehört einfach dazu! Doch nach dem offiziellen Teil sieht man sie alle langsam aber sicher auf flache Schuhe wechseln. So auch ich. Dennoch hielten meine Freundin und ich es einige Stunden in unseren Pumps aus und ernteten bewundernde Kommentare von anderen Frauen, dass wir es so lange darin aushielten. Viele hatten bereits nach dem Standesamt die Segel gestrichen und ich war doch ein kleines bisschen stolz auf mich und die gezeigte Anerkennung. Da freut sich das Ego. 😉

Ich verrate euch aber auch, dass ich am Ende des Tages, irgendwann spät in der Nacht, heilfroh war, als ich mich aus meinem Kleid schälen durfte. Die locker 30 Grad und drückende Schwüle hatte mir doch arg zugesetzt. Dieser Umstand erfüllte mich ein wenig mit Sorgen, denn am nächsten Tag würde schon das nächste Großereignis auf uns warten…

Der CSD in Düsseldorf

Es wurde ein weiteres “erstes Mal”. Mein erster Christopher Street Day! Mein Arbeitgeber hatte einen eigenen Platz als Fußgruppe im Zug organisiert und J. kam als meine +1 mit zur Demo. Erneut in brüllender Hitze in Düsseldorfs Straßenschluchten überfluteten mich die Eindrücke. Ich hatte ja mit vielen Menschen gerechnet, aber nicht mit SO vielen! Im Radio war die Rede von 10.000 TeilnehmerInnen. Überall Regenbogen- und andere queere Fahnen, fantasievoll verkleidete Menschen und zahllose Transparente und Schilder mit “LGBTQ*-rights are human rights” und ähnlichen Aussagen darauf. Das Motto unserer Fußgruppe war “Love unites all“, Liebe verbindet alle.

Love unites all @ CSD Düsseldorf

Wir zogen gut 90 Minuten quer durch die Innenstadt, vom Hauptbahnhof bis zum Rhein, an dem sich dann all die tausende von Menschen tummelten. Menschen am Straßenrand jubelten uns zu, schossen Fotos und drehten Videos, wir tanzten zu lauter Musik und winkten kleinen Kindern, die mit großen Augen auf den Schultern ihrer Eltern saßen.
Die Stimmung war so friedvoll, freudig und positiv und von so vielen Gleichgesinnten umgeben zu sein, erfüllte mich mit ganz viel Glück und wohliger innerer Wärme. Endlich normale Menschen!, sagte ich lachend zu meiner Freundin. Ich fühlte mich tatsächlich wie in einer riesig großen Familie und all diese wundervollen queeren Menschen auf einem Haufen zu sehen, gab mir Hoffnung und Zuversicht, dass wir als Gesellschaft all den schrecklichen Übergriffen auf LGBTQ*-Menschen in letzter Zeit etwas entgegen zu setzen haben. Keine Gewalt! Sondern Haltung, Stolz und Liebe!

Völlig erschöpft, mit aufgerissenen Blasen an den Hacken, aber mit vollem Herzen machten wir uns anschließend auf den Weg zurück nach Hause und ließen den Abend bei einem Glas Blubberwasser auf dem Balkon ausklingen.

Wie es auf dem CSD aussah, wollt ihr wissen? Hier sind einige Eindrücke. Mein Arbeitgeber wird wie letztes Jahr wieder ein Video produzieren, dass ich gerne mit euch teile, sobald es fertig ist.

Bereit für den CSD Düsseldorf meine PRIDE Vans ;-)

J. und ich beim CSD Düsseldorf J. und ich beim CSD Düsseldorf

Was für ein erfüllendes Wochenende!
Ich bin dankbar, dabei gewesen sein zu dürfen und es mit meiner Freundin und all den anderen wunderbaren Menschen erlebt zu haben.

In diesem Sinne: LOVE UNITES ALL!
Eure Julia

NEWSLETTER

Abonniere und erhalte alle neuen Blogeinträge bequem per eMail in dein Postfach. So verpasst du kein Update mehr.

Ich sende dir keinen Spam! Versprochen. :-)

Kommentar verfassen