Stillen

Nach längerer Pause gibt es heute Neuigkeiten zur Transition. Und ich wage so etwas wie einen Blick in die Zukunft.

Ihr Lieben,

die gute Nachricht vorweg: in Sachen Depression geht es langsam bergauf, so dass ich nach satten 3 Monaten (!) Auszeit im Mai wieder arbeiten gehen werde. Vorsichtig und achtsam, denn so ganz traue ich der neu aufkeimenden Kraft in mir noch nicht, aber die Medikation scheint endlich anzuschlagen. Vergangen sind die zutiefst düsteren Tage, an denen ich nicht mehr weiterleben wollte. Zum Glück! Der zündende Funke dafür kam von, ich berichtete, Spirit. Dem Pferd, mit dem ich eine sehr besondere Begegnung haben durfte. Seither unternahm ich eine Reitwanderung mit meinen Kindern und verliebte mich noch viel mehr in diese edlen Tiere, so dass ich morgen zu meiner ersten Probereitstunde fahren werde. Ich freue mich wie ein kleines Mädchen darauf und es erfüllt mich auf eine ganz spezielle Weise mit so etwas wie Lebensfreude. Ein Gefühl, das mir seit Anfang des Jahres oft gefehlt hat.

Vor dem Hintergrund dieser zwar langsamen, aber generell erfreulichen Entwicklungen fand ich nun auch die Kraft, mich dem nächsten Kapitel meiner Transition zu widmen: dem Brustaufbau. Gestern erhielt ich das letzte Dokument, das ich für den Antrag der Kostenübernahme benötigte, packte alles direkt in einen großen Briefumschlag und brachte ihn zu Post. Da dies nicht mein erster Antrag ist, hält sich meine Aufregung in Grenzen, aber ein wenig nervös bin ich schon. Wann erhalte ich Antwort? Geht der Antrag ohne Probleme durch? Wann bekomme ich einen Termin für die OP? Und wie wird es danach sein?
Insbesondere mit der letzten Frage befasse ich mich in den letzten Tagen häufiger. Wenn ich unter der Dusche stehe, mich umziehe, joggen gehe (ich habe ja wieder damit begonnen und ziehe das tapfer durch) oder mich einfach nur so im Spiegel betrachte. Dieses eindeutig weibliche Attribut fühlt sich noch so weit entfernt an, wie damals vor der GaOP. Und plötzlich war es so weit. Und wenig später war es das Normalste und Beste der Welt.

Nächstes Jahr um diese Zeit wird meine Brust-OP vermutlich schon fast 6 Monate zurückliegen und in den vergangenen Wochen reifte in mir die Erkenntnis, dass meine Transition damit dann für mich abgeschlossen sein wird – von der Bartepilation mal abgesehen, aber die läuft so nebenher und macht gute Fortschritte. Ja, ich habe mich innerlich von Stimm- und Gesichts-OP verabschiedet. Vornehmlich, weil ich Berichte von Freundinnen hörte, die das eine oder andere haben machen lassen und es mir die Mühe für mich persönlich nicht wert ist. Zu gut ist mittlerweile mein Passing in der Öffentlichkeit. Musternde Blicke nehme ich kaum noch wahr, stattdessen häufen sich Komplimente, korrekte Anreden oder Verhaltensweisen, die darauf schließen lassen, dass ich zweifelsfrei als Frau angesehen werde. Und all das führt letztlich auch dazu, dass mein Leidensdruck, mich nicht “weiblich genug” zu fühlen, stetig sinkt. Oder anders gesagt: ich komme mir selbst Schritt für Schritt näher und mit jedem Puzzleteil nehme ich mich selbst mehr an. Von Selbstliebe wage ich in diesem Kontext nur bedingt zu sprechen, aber es mehren sich die Momente, wo ich in den Spiegel blicke und sich das gut anfühlt.

Nun, zwei Dinge wollte ich an dieser Stelle noch anmerken. Oben sprach ich das letzte Dokument für den Antrag an. Dabei handelte es sich um meinen Hormonstatus, der nach über 6 Monaten endlich mal wieder getestet wurde. Die Ergebnisse sind außerordentlich erfreulich und es scheint so, als habe sich mein Hormonspiegel endlich eingependelt – hat ja auch lange genug gedauert. Ich glaube aber auch, dass dieser Umstand dazu beiträgt, dass es mir zunehmend besser geht. Ich fühle mich insgesamt emotional und körperlich ausgeglichener, verglichen mit früheren Zeiten von Hormonmangel oder -überschuss ein wahrer Segen! Die totale Erschöpfung des Hormonmangels ist fort und das Gefühl von fehlendem Fokus und Unzurechnungsfähigkeit des Hormonüberschusses ebenfalls. Möge es so bleiben!

Eine lustige Nebenwirkung der Hormone durfte ich in den vergangenen Monaten immer mal wieder erleben und dessen Erklärung habe ich auch seit meinem letzten Besuch bei meinem Gynäkologen. Manchmal wachte ich morgens auf und hatte einen dunklen Fleck auf dem Nachthemd auf Höhe der Brust, als wäre es feucht. Bei näherer Betrachtung zeigte sich eine dünne weiße Schicht auf einer der Brustwarzen, die sich jedoch einfach abwischen ließ. War das etwa Milch? Ja, das war es! Mein Frauenarzt bestätigte mir, dass das während der Hormontherapie durch das Wachstum oder die Stimulation der Milchdrüsen durchaus passieren könne. Und meine beste Freundin witzelte, es bestünde dann doch eine gewisse Wahrscheinlichkeit, dass ich schwanger sei. 🙂 Ob ihr es glaubt oder nicht: mich freut diese Erfahrung total, denn die theoretische Möglichkeit, einen Säugling zu stillen, ist für mich ein Teil der Weiblichkeit und der Fähigkeit, Leben zu erschaffen. Und ja, bei entsprechender hormoneller Stimulation sind auch trans Frauen grundsätzlich in der Lage, Babys zu stillen. Wie wunderbar! Zwar wird mir dieses Erlebnis vermutlich verwehrt bleiben, aber die theoretische Möglichkeit dazu fühlt sich ein Stück vollständiger an.

Alles Liebe, passt auf euch auf,

Julia

PS: Ich möchte noch kurz auf eine neue Infoseite hinweisen, die wir bei den RHEIN*BOWS erstellt haben. Dort findet ihr eine Liste von Ärzten, Therapeuten und sonstigen Anlaufstellen im Großraum Düsseldorf, die wir persönlich kennen und mit denen wir gute Erfahrungen gemacht haben. Schaut doch mal vorbei: http://rheinbows.de/aerzte-anlaufstellen/

NEWSLETTER

Abonniere und erhalte alle neuen Blogeinträge bequem per eMail in dein Postfach. So verpasst du kein Update mehr.

Ich sende dir keinen Spam! Versprochen. :-)

Kommentar verfassen