Neurodiversität & Gender-Diversität – zwei Teile des selben Puzzles?

Buntes Gehirn

Diese Woche ist bei uns im Unternehmen “Disability Inclusion Week”, eine Woche voller Vorträge und Aktionen rund um die Inklusion von Menschen mit Beeinträchtigung. In diesem Rahmen gab es eine Podiumsdiskussion zum Thema Neurodiversität, die bei mir einige kreative Hirnzellen zum Glühen brachte.

Vorweg, was ist Neurodiversität eigentlich?

Wikipedia sagt dazu:

Neurodiversität („neurologische Diversität“) bezeichnet (…) ein Fachbegriff, in dem neurobiologische Unterschiede als eine menschliche Disposition unter anderen angesehen und respektiert werden; atypische neurologische Entwicklungen werden als natürliche menschliche Unterschiede eingeordnet. Nachdem das Konzept Menschen jedweden neurologischen Status umfasst, sind alle Menschen als neurodivers zu betrachten, der Begriff Neuro-Minderheit („neurominority“) verweist auf Menschen, die als Minderheit nicht neurotypisch sind.

Das Konzept der Neurodiversität versteht also unter anderem Autismus, AD(H)S, Dyskalkulie, Legasthenie und Dyspraxie als eine natürliche Form der menschlichen Diversität, welche derselben gesellschaftlichen Dynamik unterliege wie andere Formen der Diversität, und wendet sich damit gegen eine pathologische Konnotation. Dementsprechend lehnt die Neurodiversitätsbewegung eine pathologische Betrachtung von Neuro-Minderheiten generell ab.

Quelle: Neurodiversität – Wikipedia

Es geht also auch hier, wie bei der Diversität im Bereich LGBTIQ*, um die Anerkennung neurologischer / körperlicher Unterschiede als Teil des menschlichen Entwicklungsspektrums. Ich komme nicht umhin, hier eine Ähnlichkeit zu den jüngsten Erkenntnissen im Bereich Transgender zu erkennen, nach denen Transidentität nunmehr als Normvariante der Geschlechtsentwicklung betrachtet und damit entpathologisiert wird. Eine super gute Entwicklung, wie ich finde!

Was mich während der Podiumsdiskussion aufmerken ließ, war eine Frage, die mir spontan kam:

Müsste Transidentität nicht eigentlich auch ein Teil der Neurodiversität sein, wenn man obige Definition ein wenig erweitert?

Grundlage dieses Gedankens ist eine wissenschaftliche Theorie, die besagt, dass Transidentität durch eine hormonell bedingte, unterschiedliche Entwicklung von Geschlechtsorganen und Gehirn hervorgerufen wird. Obgleich diese Theorie plausibel klingt, möchte ich anmerken, dass sie keineswegs als bewiesen gilt! Die Ursachen für Transidentität sind weiterhin nicht abschließend geklärt.

Da Gender-Diversität – und darin eingeschlossen die Transidentität – mit an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit etwas mit der Hirnstruktur gender-diverser Menschen zu tun hat, liegt für mein Verständnis hier ein klarer Fall von Neurodiversität vor. Eine Verschiedenartigkeit in der Ausgestaltung der individuellen Hirnstrukturen. Voll logisch irgendwie.

Und natürlich, ihr Lieben, hat sich jemand anders diese Frage schon früher gestellt und dazu eine Studie durchgeführt. Und, Surprise, Surprise, es wurde eine Überschneidung zwischen Gender-Diversität und Autismus nachgewiesen. Und zwar eine recht signifikante Überschneidung, wie ich finde:

(…) People who do not identify with the sex they were assigned at birth are three to six times as likely to be autistic as cisgender people are”

Heißt: gender-diverse Menschen wie ich sind 3-6 Mal häufiger autistisch als cis Menschen. Da haben wir unsere Neurodiversität.

Diese Erkenntnis an sich ist jetzt vielleicht gar nicht sooo spannend. Spannend ist aber die Frage, was das im Umkehrschluss für autistische Menschen bedeutet, sollten sie gender-divers sein. Die Studie geht unter anderem auch auf die Empathiefähigkeit und weitere Faktoren ein, die zeigen, das es eine dringende Notwendigkeit gibt, vor allem autistischen Menschen Angebote in Bezug auf Gender-Diversität zu machen, da gerade diese Personengruppe in edr Regel unter erhöhtem sozialen Druck mit entsprechendem Leidenswert steht. Durch eine (beispielsweise vorliegende) Transidentität kann dieser Umstand erst recht verstärkt werden.

Es geht also um Awareness, Gewahrwerdung. Doofes Wort, aber es gibt keine 100%ige Entsprechung zu “Awareness” im Deutschen. Awareness vor allem auf Seiten behandelnder Ärzte und Therapeuten.

Ein anderer Aspekt fiel mir jedoch auch noch auf, wenn ich mal in unserer Familienbiografie grabe. Ohne da groß in Detail gehen zu wollen, hege ich den Verdacht, dass Neurodiversität im weitesten Sinne vererblich ist und Autismus und Transidentität möglicherweise zwei Teile des selben Puzzles sind. Oder sagen wir so: es würde mich nicht wundern.
Nun bin ich keine Ärztin oder Wissenschaftlerin, daher sind dies lediglich meine laienhaften Schlussfolgerungen aus dem, was ich bis dato zu den Themen in Erfahrung bringen konnte.

Ich mag daraus nun auch kein Fazit ziehen, da diese vermeintliche Erkenntnis keinen Einfluss auf mein Leben hat. Dennoch finde ich den Gedanken super spannend und, sollte meine Schlussfolgerung richtig sein, würde dies ein paar Lücken in meinem inneren Gesamtbild zu dem Thema schließen.

Was denkt ihr darüber? Habt ihr vielleicht sogar unterstützende oder widerlegende Fakten an der Hand?
Ich würde mich über einen lebhaften Austausch in den Kommentaren freuen!

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