Ihr habt euch kürzlich wieder mehr offene und nahegehende Beiträge von mir gewünscht. Hier ist ein solcher. Entstanden mit einer gehörigen Portion Tränen in den Augen.
Wie fängt man eine Geschichte an zu erzählen, die eigentlich aus vielen Gründen nicht erzählt werden sollte und dennoch förmlich danach schreit?! Lasst es mich auf meine ganz eigene Weise versuchen…
Gedankenverloren liege ich im Bett. Es ist, als krieche die Kälte der Novembernacht langsam durch die Wände. Zwei Decken wärmen meine kalten Füße. Mein Herz klopft. Seit Tagen schon. Mein Bauch knüllt sich ungut zusammen, als würde er etwas bekämpfen. Vor ein paar Tagen hatte ich einen seltsamen Traum, einen sehr real wirkenden Traum. Er wirkt bis heute nach und veranlasst mich, ziellos im Internet nach einem Film zu suchen, der mich abzulenken vermag und mich in den Schlaf säuselt, um nicht an den Traum und die Vergangenheit denken zu müssen.
Beinahe gewaltsam zwinge ich meine Gedanken fort von diesen Bildern. Bildern des Glücks, der Liebe meines Lebens und Bildern der Zerrissenheit und Trauer. Ich stoße auf Audrey Tautou. Ich liebe “Die fabelhafte Welt der Amelie“, kann mich mit ihr manchmal identifizieren. Außerdem mag ich ihr Gesicht. Es erinnert mich…Moment mal…an sie?! Ich schiebe den Gedanken unsanft bei Seite, die letzten Wochen waren so gut, das will ich nicht wieder hergeben!
Doch etwas verleitet mich dazu, “Zusammen ist man weniger allein” anzuschauen. Mutmaßlich ein Fehler. Der Film ist toll, ich mag seine Atmosphäre, den französischen Stil. Aber alles erinnert mich an sie, so dass ich mich plötzlich dabei erwische, 5 Jahre alte Fotos anzuschauen. Glücksmomente. Blicke voller Liebe, doch ohne Sein. Ich fange an zu weinen, obwohl ich mir doch geschworen hatte, genau das nicht mehr zu tun. Obwohl ich mir doch so fest vorgenommen hatte, endlich darüber hinweg kommen zu wollen und in meine Löwinnen-Zukunft zu starten. Aber ich kann nicht. Die Liebe brennt noch immer in meinem Herzen und – das schwöre ich bei allem, was mir heilig ist – auch noch immer in ihrem. Das weiß ich einfach ohne jeden Zweifel und das macht es nur umso schwieriger.
Ich beschimpfe mich innerlich, was für ein dummes Mädchen ich doch bin, diesen albernen Fantasien nachzuhängen und klicke weiter. Ein Foto blitzt auf. Eine Begebenheit, die ich schon völlig vergessen hatte. Wir beide, gemeinsam auf einer Wippe. Nein…nicht wir beide! Sie. Und irgend ein Typ. Sie lachen, tauschen bedeutungsvolle Blicke. Es ist offenkundig, dass sie zusammen gehören. Und dann überkommt sie mich. Sie, mit der ich jetzt gerade am allerwenigsten gerechnet hätte: rasende Eifersucht! Auf diesen Typen da auf dem Bild, von dem ich genau weiß, dass das irgendwann in einem früheren Leben mal ich war. Aber ich fühle es nicht mehr. Ich sehe eine andere Person. Das bin nicht ich! Und ich beneide ihn für diesen glücklichen Moment.
Mir fällt ein, was ich vor nicht allzu langer Zeit aus ihrem Mund hörte: “Wenn ich dich heute ansehe, sehe ich eine Frau. Einen ganz anderen Menschen. Der Mensch von damals existiert nicht mehr für mich.” Das Wort “Tod” schwingt im Subtext mit. Ein neuer Schwall Tränen läuft über mein Gesicht. Ich weiß nicht, ob ich lachen oder noch mehr weinen soll. “Dein Coming Out war wie ein Schlag ins Gesicht.” Ihre Stimme hallt noch nach und erst langsam wird mir klar, welchen Schmerz ich ihr damit zugefügt haben muss. Dabei hat sie so Recht. Ich bin ein anderer Mensch. Und daher halte ich diesen Mann auf dem Foto mittlerweile auch für jemand anders. Und das ist alles richtig so. Doch gleichsam wird mir bewusst, welch hohen Preis wir beide dafür haben zahlen müssen. Mit allen Konsequenzen: dem banalen Text “Gelesen” auf dem Display. Ohne Antwort. Seit Tagen. Der Gewissheit, auf ewig in tiefster Liebe verbunden zu sein und dennoch vom Leben getrennt. “Akzeptanz“, schreit mein Verstand. “Allein Akzeptanz dessen was ist, wird dir Linderung verschaffen…” Schwer wie Blei wabern diese Worte durch den Raum, bevor sie sich zäh und klebrig über die gesamte Szene legen.
Audrey saugt gerade den Fußboden. Ich nicht. Ich weine. Über die ungewollt melodramatische Tragik der ganzen Geschichte, die mein Traum mir nur wieder allzu deutlich vor Augen geführt hat. Ich will das alles nicht. Wische das Foto weg wie alte Spinnweben.
Ich komme mir lächerlich vor und denke doch noch einmal an den fremden Mann auf dem Foto. Es gibt nicht viel, worum ich ihn beneiden würde und bin auch sonst kein Mensch, der sich verzweifelt an die Vergangenheit klammert, ganz im Gegenteil. Ich bin glücklich, dort zu stehen, wo ich stehe. Aber was würde ich in diesem Moment um ein “Schreibt…” geben…?!