Gestern hatte ich das Vergnügen, die Gendertreff Messe in Leverkusen besuchen und Teil des Standes meines Therapeuten sein zu dürfen. Eins vorweg: es hat sich total gelohnt! Dennoch war das Wochenende nicht eitel Sonnenschein.
Zwar hatte ich mir vorgenommen, neben meinen Instagram-Posts auch hier im Blog zeitnah über den Messebesuch zu berichten, dennoch kostet es mich gerade viel Überwindung, einen klaren Gedanken zu fassen. Denn es herrscht ein Gefühl von Hilflosigkeit und einem gewissen Maß an Einsamkeit, die ich als sehr lähmend empfinde. Es ist wieder so ein Tag, an dem ich direkt am Wasser gebaut bin. Denn etwas schmerzt mich seit Tagen sehr: die eskalierende Situation im Iran. Diese grauenhafte, sinnlose Gewalt gegen Frauen, aber auch die gesamte Unterdrückung des Volkes.
Das Ganze triggert mich mehr als andere Krisenherde auf der Erde, weil eine mir emotional extrem nahe stehende Freundin direkt betroffen ist – sie selbst ist gebürtige Iranerin und hat Familie und Freunde dort. Vor einigen Tagen sprachen wir über die Zustände im Iran und ihre persönliche Betroffenheit. Ich sah in ihren Augen ihre Trauer, ihre Hilflosigkeit, ihre Wut. Und dann das immer lauter werdende Schweigen der UN dazu. Wie könnte mich das kalt lassen?!
Seither bin ich auf Instagram recht aktiv, um ein Sprachrohr für die Belange der iranischen Frauen zu sein. Doch was bewirkt das schon?! Heute gesellte sich eine gewisse Resignation dazu. Ähnlich wie vor einiger Zeit bei den ehrenamtlichen Aktivitäten rund um LGBTQ*-Themen. Ja, all das hat eine Wirkung. Aber mal ehrlich…vielleicht mag ich eine Handvoll Menschen erreicht haben, die dann ebenfalls für die Situation im Iran die Stimme erheben. Und vielleicht kann ich mal die eine oder andere trans Frau dazu beflügeln, ihren Weg mit mehr Zuversicht zu gehen. Das ist nicht Nichts. Aber zur selben Zeit sterben anderswo Menschen. In Münster wird ein trans Mann getötet. Frauen im Iran werden zu Tode geprügelt, weil sie ihr Kopftuch nicht “richtig” tragen. In der Ukraine werden grausam Menschen umgebracht und in Massengräbern verscharrt. Und in Afrika verhungern Kinder. Der Planet geht vor die Hunde und wir laufen fröhlich singend auf den Abgrund zu. What the fuck?!
Was richten da meine Posts und Gespräche oder mein Verzicht auf Fleisch dazu im Vergleich aus?! Das ist doch ein schlechter Witz!
Ignoranz des Ganzen mag sicherlich effektiv sein, um sich besser zu fühlen. Aber das Karma ist eine Bitch und damit kommt das für mich nicht in Frage. Möglicherweise liegt eine Antwort dann doch darin, sich auf ein Thema zu fokussieren, sich zu vernetzen und die Kräfte zu bündeln. Die Welt retten können wir alle nicht wenn wir alleine sind. Gemeinsam aber vielleicht schon.
Gendertreff Messe
So. Das war eine lange Vorrede, warum ich eigentlich keine Lust habe, über die Messe zu berichten, die gegen diese Krisen banal erscheinen mag. Für mich persönlich hatte sie aber doch eine signifikante Bedeutung, denn ich habe viel gelernt, Kontakte geknüpft und bei allen Sorgen irgendwie dann doch eine gute Zeit gehabt.
Kurz noch zum Verständnis: die Gendertreff Messe versteht sich selbst als “Messe & Fachtagung der Selbsthilfeorganisation Gendertreff e.V. für Trans*-Menschen, Angehörige und Interessierte“. Entsprechend gab es neben zahlreichen Info-Ständen auch viele Fachvorträge zu verschiedenen Themen.
Meine Jüngste war mit von der Partie. Ein Umstand, der mich anfänglich etwas sorgenvoll gestimmt hatte, denn eine 9-jährige auf einer Fachmesse für trans Personen? Wie öööde! Aber weit gefehlt! Noch heute sprachen wir darüber, wie schön die Messe war. Darüber, dass sie sich gefreut hat, meine Freundinnen und Bekannten kennenlernen zu dürfen und selbst bei den Vorträgen knipste sie fleißig Fotos und berichtete sogar in ihrem WhatsApp-Status davon! Ich war echt baff über ihr Interesse, ihre Offenheit und die aktive Teilnahme! Natürlich gab es genug kindgerechte Pausen mit der einen oder anderen Partie UNO, Essen und Getränken. Sonst wäre es wirklich zu langweilig geworden.
An sich hatte ich eigentlich damit gerechnet, dass die wirklich vielen trans Personen auf einem Haufen sie möglicherweise überfordern könnten, das Gegenteil war der Fall. Sie fühlte sich in dem Gewusel sichtlich wohl. Ihr glaubt gar nicht, wie froh mich das stimmt, denn diese Offenherzigkeit ist ein Geschenk! Für sie, für unsere Familie und letztlich für eine tolerante und vielfältige Gesellschaft!
Wer schreibt, der bleibt!
Bevor ich zu meinen Erkenntnissen des Tages komme, sei noch eben ein Thema in eigener Sache erwähnt, das mich ein bisschen stolz macht: im Vorfeld der Messe hatte mich mein Therapeut gefragt, ob er meinen Text “Der Staub des Tages“, der im April 2021 entstand, auf seinen Flyer drucken dürfe. Ja, klar! Wir hatten in der Folge darüber nicht mehr gesprochen, aber gestern sah ich dann mehr oder minder zufällig das Ergebnis. Super cool! Als ich das gesehen habe, hatte ich einen Moment der Selbstwirksamkeit, von denen ich im Augenblick (siehe oben) gerne mehr haben könnte. Möglicherweise bilden sie ein gesundes Gegengewicht zu diesem Weltschmerz, der nicht sonderlich hilfreich ist und eher lähmt als aktiviert.
Medical Voice Center Hamburg
Einer der Vorträge, den ich mir mit großem Interesse anschaute, handelte von der stimmfeminisierenden OP in Hamburg beim Medical Voice Center. Auf die konkreten Inhalte mag ich hier gar nicht eingehen, aber gerne auf das Fazit. Ein Einzelgespräch nach dem Vortrag nahm mir etwas die Angst vor dieser OP. Meine größte Sorge galt den zwei Wochen post OP, in denen man nicht sprechen darf. Da ich bedingt durch die Schlafapnoe bisweilen hörbar aus dem Schlaf hochschrecke, hatte ich natürlich Sorge, dass das die Heilung nachhaltig beeinträchtigen könnte.
Zwar ist diese Fragestellung nochmal mit Prof. Hess zu besprechen, aber das Personal vor Ort konnte mir ein wenig meine Sorgen nehmen. Das sei wahrscheinlich kein Problem.
Was ich zudem bemerkenswert fand, war die beinahe schon empörte Antwort auf meine Frage nach den Risiken. Die Dame konnte gar nicht verstehen, woher dieser derart schlechte Ruf käme. Es gäbe keine Gründe für eine solche Einschätzung. Nun mag man von dieser Aussage noch ein gewisses Maß an Marketing abziehen, um bei der Wahrheit zu landen, aber dennoch…eine Stimm-OP zur Reduktion der tiefen Tonlagen ist definitiv wahrscheinlicher für mich geworden.
Sana Klinik Düsseldorf
Das Thema Brustaufbau ist für mich natürlich auch hochaktuell und steht für 2023 auf dem Plan. Einen entsprechenden Vortrag von Dr. Wolter hörte ich mir folglich mit großem Interesse an und knüpfte im Anschluss engere Kontakte zur Belegschaft, da erste Versuche, einen Beratungstermin per eMail zu erhalten, im Nirvana geendet waren. Ein neuer Anlauf folgt in den nächsten Tagen, dank großer Nachfrage ist allerdings nicht vor März 2023 mit einem Beratungsgespräch zu rechnen. Da aber ohnehin vorher Haartransplantation und Korrektur-OP anstehen, passt das zeitlich ganz gut.
Nachdem ich einige Fotos von Ergebnissen gesehen habe, bin ich dennoch schon ganz hibbelig und kann es eigentlich kaum abwarten! Wenn ich ehrlich bin, ist das doch ein echt großes (dysphoriebeladenes) Thema für mich. Wie auch meine Stimme.
Networking
Neben all den Vorträgen besuchte ich natürlich auch viele Stände, knüpfte Kontakte, tauschte Adressen aus und freute mich über die Bereitwilligkeit zum Aufbau eines Netzwerks. Sowohl von Seiten meines Arbeitgebers (den ich bei der nächsten Messe gerne auch dort sehen würde), als auch von Seiten der RHEIN*BOWS. Auch hier entstanden einige Verbindungen, die es nun auszubauen gilt. Wie ich oben schon sagte: vielleicht ist der Weg der Vernetzung und Bündelung der Kräfte ein Weg, langfristig mehr Wirkung zu erzielen.
Fazit
Über die Messe vermag ich unterm Strich nur Positives zu berichten – was die Organisation anbelangt und auch den inhaltlichen Rahmen und die total entspannte Atmosphäre. Nächstes Mal bin ich wieder super gerne mit dabei!
Persönliches Fazit
Erstaunlich, aber wahr: Nach Fertigstellung dieses Artikels geht es mir besser als am Anfang. Die positiven Momente der Messe noch einmal zu durchleben, tat gut. Doch bleibt der fade Beigeschmack, mehr machen zu können und zu wollen. Oder besser gesagt: etwas mit größerer Wirkung…