Ja, gut, ich bin gerade nur bedingt zurechnungsfähig, denn hinter mir liegt “Message in a bottle” mit Kevin Costner und der Film hat mich doch schwer mitgenommen. Dennoch brachte er etwas in mir zum Klingen, was immer mal wieder zart an mein Herzchen klopft. Die Rede ist von irgendwie sowas wie Sehnsucht.
Mir klingen noch die Worte meines Gynäkologen im Ohr, bevor er mir damals das erste Rezept für meine Hormone in die Hand drückte: “Ihre Interessen werden sich mit der Zeit ändern”, prophezeite er mir. Und behielt Recht. Ich glaube zwar, dass ich im Wesenskern schon immer ein romantischer Mensch war, aber um Filme dieses Genres machte ich in der Regel einen großen Bogen.
Das hat sich geändert. Zwar schaue ich nun wirklich nicht jeden Kitsch, der nach Schema F abläuft und man nach 2 Minuten Film schon weiß, wie er ausgeht und sich das Paar nach einem kurzen Drama dann doch kriegt. Aber Filme wie “PS: Ich liebe dich”, “Gut gegen Nordwind” und eben “Message in a bottle” sind wunderbar geeignet, um sich bei nasskaltem Wetter und Krankschreibung ins Bett einzukuscheln und reihenweise Taschentücher nass zu machen.
Nun sind das alles erfundene Geschichten, die mit der Realität wenig zu tun haben. Und es grenzte an Traumtänzerei, derartige Liebesgeschichten selbst erleben zu wollen.
Doch darum geht es auch gar nicht. Heute, bei “Message in a bottle”, schwangen sanfte Zwischentöne in einigen Szenen. Liebevoll. Vertraut. Und gleichzeitig angenehm unsicher, wie am Anfang jeder Beziehung. Das löste nicht zum ersten Mal eine gewisse Sehnsucht in mir aus, obwohl ich mir bis vor Kurzem sehr sicher war, überhaupt keine Zeit, Energie und Interesse an einer Beziehung zu haben. Und vor allem: zu wem? Zu einer Cis-Frau? Zu einem Cis-Mann? Zu einer anderen Transperson? Ich weiß es schlicht und ergreifend noch nicht.
Ich merke aber dennoch, dass bei Szenen, in denen der Mann die Frau in seine starken Arme nahm, ein starkes Bedürfnis nach “Beschütztwerden” in mir wach wurde. Vielleicht erinnert ihr euch noch an meinen Artikel aus der Klinik, als ich das erste Mal aufstehen durfte. Damals schrieb ich, dass es ein tolles Gefühl war, von den starken Armen des Physiotherapeuten hochgehoben zu werden. Genau das meine ich…ich fühlte mich für den Bruchteil einer Sekunde sicher und geborgen bei ihm. Auch, wenn er sonst nicht mein Typ war.
Das sind zwar alles nur ganz kleine Puzzleteile, die für sich betrachtet noch kein stimmiges Bild ergeben, aber die Konturen werden für mich langsam klarer ersichtlich. Ich hätte nie gedacht, dass ich das mal sagen oder schreiben würde, aber: ich sehne mich nach jemandem, an dessen Schulter ich mich anlehnen kann. Der mich mit seinen starken Armen auffangen kann, wenn ich mal falle. Jemand, der mir liebevoll die Haare aus dem Gesicht streicht und mit seiner sonoren Stimme “Ich liebe dich” durch seinen Dreitagebart haucht. Kitschalarm, ich weiß. Aber hey, ich verzichte schon freiwillig auf den edlen Ritter auf weißem Roß. Obwohl…
Noch kommt mir das alles so surreal vor. Noch vor 3 Jahren hätte ich auch mir selbst gegenüber geschworen, dass ich ein Hetero-Mann bin und nur auf Frauen stehe. Und jetzt? Alles hat sich verändert. Ich stelle das alles komplett in Frage. Ich meine, ich liebe Frauen. Wobei ich mir mittlerweile nicht mehr ganz sicher bin, ob das nicht eher eine freundschaftliche Liebe auf Augenhöhe ist. Die Zeit, die “dominante” Rolle zu spielen, ist für mich jedenfalls vorbei. Ich mochte sie nie und gebe sie gerne ab.
Aber was heißt das jetzt für mich? Bin ich jetzt eine Hetero-Frau? Hm, oder eher das, was man allgemein hin “questioning” nennt? Fragend. Auf der Suche.
Ganz ehrlich? Habe vor all dem eine scheiß Angst. Ich habe Angst vor Ablehnung und Verletzung, weil ich eben nicht cis bin. Ich habe Angst vor Unverständnis. Oder Typen, die mich nur als Fetisch betrachten und nicht mich als Menschen mögen. Ich habe Angst davor, einen Mann zu daten. Geschweige denn, mit ihm irgendwann mal nach Hause zu gehen. Oder ihn mit heim zu nehmen. Ich weiß, ich bin nicht schwach, aber ich fühle mich so. Das ging mir früher nie so, doch jetzt fühle ich mich verletzlich.
Und es lässt mich zweifeln, ob das (Daten von Männern) überhaupt der richtige Weg für mich ist. Ich habe mich die Tage aus Neugier bei einer Dating App angemeldet. Gar nicht, um jemanden kennenzulernen. Eher als Selbsttest, wie ich mich selbst auf der Plattform bewege und wer mich interessiert. Dabei fiel mir auf, dass ich selbst bei hohen Matching Scores mit (lesbischen / queeren) Cis-Frauen selbige oft wegwische. Nicht aus Desinteresse. Aus Angst. Aus Angst, nicht als vollwertige Frau anerkannt zu werden. Bei den hetero Cis-Männern geht es mir genauso. Lediglich wenige Ausnahmen, die ausdrücklich in ihrem Profil schreiben, dass sie auch schon Beziehungen zu Transfrauen hatten oder pansexuell sind, geben mir etwas Mut.
Ich weiß auch nicht…ich merke, wie da etwas in mir erwacht und nach Aufmerksamkeit verlangt. Und gleichzeitig habe ich das Gefühl, dass das alles viel zu früh kommt, ich noch nicht bereit dafür bin. Das ist ausgesprochen verwirrend und ich weiß noch nicht, wie ich damit umgehen soll.
Die weise alte Frau in mir rät mir jedenfalls gerade, all dem seine Zeit zu geben und alles auf mich zukommen zu lassen. Der Nebel wird sich lichten…