Streching cat

Verzeihung, dieses zweitklassige Wortspiel konnte ich mir nicht verkneifen. 😉 Denn es gibt wieder einen Fortschritt zu vermelden, der mich in kleinen Schritten meiner Entlassung näher bringt. 

Wann konkret ich entlassen werde, weiß ich noch nicht. Da die Heilung aber weiterhin gut verläuft, bin ich optimistisch vielleicht schon in einer Woche oder so nach Hause zu dürfen.

Heute durfte ich jedenfalls wieder einmal neue Erfahrungen machen, was ich im Titel scherzhaft mit „Yoni-Yoga“ betitelt habe: die Rede ist vom Bougieren, als dem Dehnen der Neovagina. Das ist notwendig, damit der neu geschaffene Hohlraum nicht wieder zusammenschrumpft und auf diese Weise Tiefe und Weiter verliert. Denn dann wäre das OP-Ergebnis recht schnell dahin. Das kann natürlich niemand wollen. 🙂

Glücklicherweise hat sich meine Blasenentzündung dank Antibiotikum so gut wie in Wohlgefallen aufgelöst, lediglich mein Ohr verhält sich noch etwas divenhaft. Aber mit dem werde ich auch noch fertig, höhö.

Vor dem Bougieren gab es schon einiges zu beachten, da muss ich mich jetzt erst einmal reinfinden. Zunächst einmal wird der kleinste Dilator aus dem Sortiment (eine Art medizinischer Dildo) in einem Kondom verpackt. Hygiene und so.
Dann gibt es für die Zeit hier in der Klinik noch eine südhaft teure antiseptische Creme, mit der das Ganze bedeckt wird. Das erste Einführen dieses Gebildes raubte mir für einen Moment den Atem. Nicht, weil es so schmerzhaft gewesen wäre, das gar nicht mal. Es war einfach ein völlig neues Gefühl, dieses lange Ding mein Innerstes dehnen zu lassen. Beim Anstoßen an die „Rückwand“ kann es dann aber dann doch ab und an mal etwas zwicken, da ist dann die Grenze des auszuübenden Drucks erreicht.

Tja. Und dann lag ich da. Für 60 Minuten. Das Ganze hat zwei wesentliche Charakteristika: es ist unfassbar langweilig und gleichsam anstrengend für die Hand. Denn die gesamten 60 Minuten muss man einen gewissen Druck aufrecht erhalten, damit auch ein Dehnungseffekt einsetzt. Und langweilig deshalb, weil man währenddessen nichts anderes machen kann, zumal mindestens eine Hand die ganze Zeit benötigt wird. Also entschied ich mich, währenddessen die eine oder andere Folge Schitt’s Creek zu schauen. Urkomisch und sehr zu empfehlen! 🙂

Um die zeitlichen Dimensionen des Bougierens etwas transparenter zu machen:
Vor dem Bougieren soll ich zunächst den gesamten Intimbereich ausduschen. Hygiene und so. Danach besagtes Prozedere und die restliche antiseptische Creme kann noch auf dem gesamten äußeren Bereich der Yoni verteilt werden. Hygiene und so. Nach den 60 Minuten muss dann natürlich der ganze Kram noch gereinigt werden. Also je nach eigenem Tempo kann die ganze Veranstaltung schon mal bis zu 90 Minuten in Anspruch nehmen. Und das 2 Mal am Tag. Richtigerweise bemerkte Dr. Taskov, ich solle die Zeit hier in der Klinik intensiv dafür nutzen, denn sobald ich wieder daheim sei, würde das zeitlich alles etwas schwieriger. Absolut richtig. Obgleich ich durch das coronabedingte HomeOffice wahrlich gesegnet bin und das entsprechend morgens und abends planen kann. Ich muss halt nur leider 90 Minuten früher aufstehen, das gruselt mich als Nachteule schon sehr. 🙂 Der Morgen ist sowas von gar nicht meine Zeit!
In der Tat wird das für die erste Zeit eine wirklich große Umstellung für mich sein. Denn wenn ich vielleicht abends noch ausgehe, muss ich immer noch die 60-90 Minuten vor dem Schlafen mit einplanen, um das OP-Ergebnis nicht zu gefährden. Das ist schon ein ziemlich signifikanter Anteil der Tageszeit. Aber diese recht hohe Frequenz des Bougierens lässt nach einigen Monaten nach, sobald sich das Gewebe stabilisiert hat. Ganz aufhören werde ich damit niemals können (es sei denn, es würde regelmäßiger Geschlechtsverkehr erfolgen, quasi als natürliche Dehnung), aber später kann man das Ganze wohl auf vielleicht einmal pro Woche verringern.

Aber wisst ihr was? Ich finde diesen hohen Zeitaufwand gar nicht so schlimm. Andere mögen die Arme über dem Kopf zusammenschlagen ob dieses immensen Aufwands, aber ich kann das wirklich ziemlich easy tragen. Klar, ich kann mir auch Schöneres für diese Zeit vorstellen, aber ich weiß ja, wofür ich es mache. Und dieser übergeordnete Zweck, die große Vision dahinter, lässt alle Ungemach wie Kleinigkeiten erscheinen, die sich mit ein wenig Geduld und Aufwand bewältigen lassen.

Stärke?

Ich bekomme seit Beginn der Transition und vor allem im Zusammenhang mit der GaOP immer und immer wieder gesagt, was für eine starke Frau ich bin. Ist das so?! Jetzt habe ich das schon so oft gehört, so langsam beginne ich, es zu glauben. 😀 Es ist aber weiterhin so, dass ich meine „Leistung“ für nichts besonders Starkes halte. Ich gehe doch einfach nur meinen Weg, den mir mein Schicksal – so es so etwas gibt – zugedacht hat und lasse mich dabei bestmöglich nicht beirren. Das ist alles. Ich bin einfach nur fest in meinem Glauben an meine Reise und meine persönliche Entwicklung. Der Ruf war einfach zu deutlich, als dass ich ihn hätte weiter ignorieren können. Und dieser innere Ruf ist meine Triebfeder, mein Leuchtturm, meine innere Energiequelle.

Ist das stark? Vielleicht, ja. Trotzdem berührt mich dieser Gedanke peinlich. Ich halte mich als Mensch für niemand Besonderes. Ich möchte einfach nur mein Leben als Frau leben. Als eine von vielen, als eine von ihnen. Der Welt etwas zurückgeben, auch wenn sie mir in der Vergangenheit – vor allem in der Schulzeit –  bisweilen auch viel genommen und abverlangt hat. Ohne das wäre ich aber heute nicht dort, wo ich bin. Diese Zeit hat viele Narben hinterlassen, aber sie haben mich auch stark gemacht.

Und ja…ich habe das Gefühl, dass ich für diese Welt einen wertvollen Beitrag leisten kann. In den vergangenen Tagen hier in der Klinik hatte ich mit einigen (mir bis dato unbekannten) Transpersonen über verschiedene Kanäle Kontakt, die Hilfe und Rat bei mir suchten, weil sie meine Story verfolgten und mir daher ihre privaten Themen anvertrauten. Und ich denke, ich konnte ihnen weiterhelfen, ihren eigenen Weg etwas klarer zu sehen. Das ist das größte Geschenk zu sehen, wie sich die grauen Nebelfetzen der Unsicherheit und Traurigkeit beim Gegenüber langsam auflösen und durch etwas Zuversicht aufgehellt werden.

Ganz ehrlich? Wenn ich damit meinen Lebensunterhalt finanzieren könnte, ich würde es tun! Es ist sooo erfüllend! Es birgt sooo viel Sinn in sich. Und es schenkt mir viele wertvolle menschliche Kontakte quer über den gesamten Planeten.

Sorry, ich komme mir gerade vor, als würde ich mich in Selbstbeweihräucherung verlieren, das widerstrebt mir. Das musste aber mal raus, weil mich das wirklich sehr beschäftigt und mir bei der Frage nach dem Sinn meines Lebens wertvolle Gedanken liefert.

Doch genug davon für den Moment, zurück zu mehr weltlichen Themen, denn gleich kommt schon das Mittagessen. 🙂 Diesen luxuriösen Service werde ich daheim definitiv vermissen!
Für den weiteren Verlauf hoffe ich natürlich, dass das Bougieren weiterhin gut funktioniert und ich mir vor allem nicht wieder irgendwelche dummen Bazillen einfange.

Daher: Hygiene, Hygiene, Hygiene! 🙂

An Guadn!

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