Noch genau 2 Wochen bis zur OP. Plötzlich beginnt die Zeit zu rasen. Ein Umstand, dem sich heute mein körperliches Wohlbefinden beugte. :-/
Diese Nacht schlief ich wieder schlecht. Sogar schlechter als die Nacht zuvor. Nach dieser unruhigen Nacht riss mich mein Wecker aus dem Halbschlaf und zwang mich zum Aufstehen. Draußen war es düster, nass und kalt. Am liebsten wäre ich wieder in mein kuscheliges Bettchen gekrochen. Doch heute wartete ein weiterer Minimeilenstein auf mich.
Damit die Klinik meine OP überhaupt durchführt, bedarf es einiger Unterlagen, die ich mitbringen muss. Darunter ein aktuelles Blutbild, die Werte einer Urinkultur und natürlich die Krankenhauseinweisung. Alles keine besonders schönen Maßnahmen, aber auch keine große Sache. All das stand heute an.
Keine große Sache?
Naja, das sah mein Bauch etwas anders. Er beschwerte sich schon recht früh am Tag und ließ mich sehr deutlich spüren, was er von all der Anspannung hielt.
So fuhr ich schließlich mit einer riesigen Anspannung zu meinem Frauenarzt, beinahe wie im Tunnel oder Traum. Das auf die Frontscheibe sprühende Regenwasser verstärkte die sonderbare Stimmung.
Der Arzttermin an sich verlief schnell und unspektakulär. Meine Laborwerte darf ich in einer Woche abholen und die Krankenhauseinweisung stellte er mir sofort aus, da diese ohnehin für das gesamte Quartal gültig ist. Zu meiner Überraschung handelte es sich dabei lediglich um einen dünnen rosafarbenen Fetzen Papier, ganz ähnlich einer AU. Mit ähnlich wenig Inhalt. Ich hatte mir im Vorfeld ein vollgeschriebenes DIN A4 Blatt ausgemalt, stattdessen entpuppte sich meine Eintrittskarte zur Klinik als eben jenes, recht banales Papierchen. Seinen ideellen Wert schmälerte dies jedoch nicht im Geringsten.
Nach diesem Termin kehrte etwas Ruhe in meinen Körper ein und alles beruhigte sich. Den Abend verbrachte ich dann bewusst ganz entspannt mit Kochen, leckerem Essen in Gesellschaft meiner Mum (die mir ganz viele liebe Komplimente machte…sweet! Danke! :-*) und später mit einem heißen Bad und der gefühlt 100. Wiederholung von “The Danish Girl”. So kurz vor der OP bietet der Film noch einmal neue Blickwinkel auf die Transitionsthematik, so wie er es während der gesamten Transition immer wieder an verschiedenen Punkten tat. Einzig das Ende ist in dieser Form für mich so absolut nicht erstrebenswert – Spoiler: Lili stirbt in Folge der zweiten OP.
Losgelöst vom Ausgang des Films bedeutet meine eigene OP eine Zäsur in der Beziehung zwischen diesem Film und meiner Transition. Der Film endet zwangsläufig nach der körperlichen Angleichung und dem Tod von Lili Elbe. Ich persönlich gedenke selbstverständlich, meinen Weg weiter zu beschreiten. Damit werde ich meine lieb gewonnene Lili als Wegbegleiterin mehr oder minder verabschieden müssen, das ist schon ein komisches Gefühl. Der Film gab mir oft Halt und zeigte mir, wo ich gerade stehe und was vielleicht noch kommen mag. Nach meiner OP werde ich meine persönliche Geschichte aber weiter schreiben, aus anderer Perspektive, aber sicherlich im Gedenken an die echte Lili Elbe, Schwester im Geiste. Dürfte ich jemals eine historische Persönlichkeit treffen, ich denke, es wäre Lili.
Nun sei es das für den heutigen Tag. Wie angekündigt waren es Minimeilensteine, die heute beschritten wurden, doch mit jedem Tag gewinnen sie an Bedeutung, die Zeit beginnt anders zu laufen. Sie wird…gestauchter. Oder verzerrt. Surreal. Ein komisches Gefühl von…Autopilot, der selbsttätig bremst, beschleunigt und lenkt.
Ich weiß, ich habe die richtige Route eingegeben und kann diesem Autopiloten daher vertrauen. Dennoch ist es ein seltsames Gefühl, diese letzten Tage quasi zur OP hin “getragen” zu werden. “Es” lebt mich. Was auch immer “es” ist. “Es” tut, was ich wünsche, nur, dass es keiner aktiven Handlung bedarf. Dinge geschehen, die Minimeilensteine rauschen vorbei und hinter mir höre ich die Puzzleteile an ihre vorgesehene Stelle fallen.
Wie gesagt…es ist etwas surreal. Aber besser kann ich es nicht beschreiben.
Was meinen Herzschlag in diesem Moment jedoch sehr beruhigt ist die Gewissheit, alles richtig eingefädelt zu haben und die Dinge jetzt einfach nur noch geschehen lassen zu müssen. Denn all das Gute ist bereits für mich vorbereitet.
Vertrauen.