Me too

Nun ist es also soweit. „Willkommen in der Welt der Frauen“, antwortete mir eine Bekannte auf das, was da heute bei Instagram passiert ist. Wie viele andere Frauen hebe auch ich heute meine Hand und sage: „Me too!“

Muss ich „Me too“ noch weiter geklären? Es war lange in den Medien und ich behaupte, die zu Grunde liegende Problematik des frauenverachtenden Verhaltens mancher Männer hat sich seitdem kein bisschen gebessert.

Der heutige Tag begann für mich trotz früherem Aufstehen recht energiegeladen. Ich besuchte das erste Mal offiziell als Julia meinen Hausarzt zum Vorsorge-Check, holte mein umgeschriebenes Abi-Zeugnis in meiner ehemaligen Schule ab, alles easy und super entspannt und freundlich. So darf es gerne immer sein.

August 2021

Kurzum, ich fühlte mich heute sauwohl in meiner Haut, hübsch und zu großen Teilen wie ich selbst. Ein wunderbares Gefühl!

Grund genug, einen Selfie zu schießen und meiner Transition-Timeline auf Instagram hinzuzufügen. Es kamen überraschend viele positive Reaktionen darauf und einige nette Kommentare.

Dank dieses Fotos durfte ich heute aber auch eine dunkle Seite der Gesellschaft sehen. Die Seite der toxischen Männlichkeit. Die Seite falsch verstandener Männlichkeit. Ausgelebt von Männern, die uns Frauen auf Objekte reduzieren und meinen, sie könnten sich alles erlauben.

Früher hörte ich oft die Klage von Frauen, dass Männer ein „Nein“ nicht akzeptieren und übergriffig würden. Schlimm genug! Aber damals betraf es mich nicht persönlich. Das hat sich heute geändert und ich durfte am eigenen Leib erleben, wie es ist, wenn Männer ein „Nein“ nicht akzeptieren.

Das alles geschah „nur“ online, insofern brauchte ich nicht um meine Gesundheit fürchten. Das macht es aber keinen Deut besser!

Ein mir völlig fremder Mann, der mir schon seit einiger Zeit bei Instagram folgte, aber nie negativ aufgefallen war, schrieb mir eine belanglose Nachricht, nachdem ich mein Foto gepostet hatte. Ich ignorierte sie, da mir schon klar war, worauf er hinaus wollte. Minuten später klingelte mein Handy. Ein eingehender Videoanruf auf Instagram – von genau diesem Mann. Ich drückte ihn weg. Wenig später: wieder. Und wieder. Insgesamt 4 Mal binnen 10 Minuten. Hallo?!

Doch lest selbst (das englische Original findet ihr als Fotos unter dem Beitrag):

S.: Hhh

S.: Julia

S.: Wie geht es dir

S.: unbeantworteter Videoanruf  

S.: unbeantworteter Videoanruf  

S.: Foto seiner Boxer-Shorts

S.: unbeantworteter Videoanruf  

S.: unbeantworteter Videoanruf  

Ich: Hi S., danke, mir geht es gut heute. Ich hoffe, dir auch. Hör bitte auf, mich anzurufen, ich werde daran nicht teilnehmen.

S.: Schick ein Foto, ich will sehen

S.: Foto von ihm auf dem Bett

S.: Bist du alleine

S.: Julia

S.: Foto seiner Boxer-Shorts mit leicht erkennbarer „Beule“

S.: Schalte die Kamera ein, bist du alleine, sprechen

Ich: Nein, das wird nicht passieren! Ich bin nicht hier, um Sexting oder ähnliches zu betreiben. Du kannst gerne meinem Account folgen, wenn du das möchtest, aber hör bitte auf, mich zu belästigen.

S.: Warum

S.: Magst du hart und schnell f*cken

Ich: Echt jetzt?! Warum?! Weil das sexuelle Belästigung und total widerlich ist. Auf Wiedersehen, S.

Unmittelbar danach blockierte ich seinen Account und meldete ihn wegen sexueller Belästigung bei Instagram. Offen gestanden weiß ich nicht, ob das etwas bringt, aber solch respektloses und widerwärtiges Verhalten lasse ich mir nicht gefallen! Ich habe auch kurz darüber nachgedacht, Anzeige zu erstatten, um derlei Anfänge direkt im Keim zu ersticken. Aufgrund des mangelnden Straftatbestandes und keinen offen sichtbaren Genitalien verzichtete ich dann aber darauf. Und dabei war diese Belästigung noch vergleichsweise harmlos. Was andere Frauen teilweise erleben, lässt mir die Haare zu Berge stehen. Zwar schickte mir jemand vor Monaten schonmal ungefragt ein Dick Pic (ein Foto seines Genitals), damals fand ich das aber eher belustigend und armselig, bevor ich ihn blockierte. Immerhin war es damals nur das Foto und kein Telefonterror.

Ich bin erneut entsetzt, wie manche Männer mit Frauen umgehen! Und leider ist das im Internet keine Seltenheit. Ich bekomme regelmäßig Nachrichten von Männern, die sich allerdings meist auf ein „Hi“ beschränken. Neben S. schrieb mir jedoch heute auch noch ein durchaus attraktiver Marine Soldat aus den USA als Antwort auf mein Foto. Immerhin (!) war er in der Lage, einen ganzen Satz zu formulieren und freundlich nachzufragen, ob ich Interesse hätte, ihn kennenzulernen. Nein, habe ich nicht. Aber immerhin hatte der Gute soviel Anstand, seine Nachricht mit einem schmeichelhaften Kompliment zu beginnen und freundlich zu fragen.

Obgleich S. nun gesperrt war, konnte ich das nicht auf mir sitzen lassen. Ich richtete eine deutliche Nachricht an jene Männerschaft, die sich derart verhält und machte danach den Chat-Verlauf von S. publik. Ich wende mich aber nach derlei Übergriffen nicht beschämt ab, ich trete damit an die Öffentlichkeit.

Ja. Me too. Ich gehöre jetzt leider auch dazu. Aber ich werde mich mit meinen Mitteln dagegen wehren!

Und ich wünsche allen anderen Betroffenen, dass sie genug Kraft haben, sich ebenfalls zu wehren und dafür zu kämpfen, dass derlei Übergriffe – egal in welcher Intensität – nie wieder passieren!

Meine Gedanken sind heute bei all den Frauen weltweit, die nicht „nur“ mit einem nervigen Chat davon gekommen sind.

I feel you, girls!

Anhang: der Original-Chatverlauf

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