Ich komme gerade recht frisch von meinem 2. Gutachtergespräch für mein TSG-Verfahren. Happy me?!
JA, KLAR! HAPPY ME!!! Nicht zuletzt aufgrund dieser Aussage:
Sie bekommen auf jeden Fall ein positives Gutachten (…)
YES! Doch ich greife vor.
Also. Ich hatte mich für das Gespräch auch extra ein bisschen in Schale geschmissen und eines meiner neuen Tops ausgeführt (siehe Foto). *wink wink* #fishingForCompliments 😉
Fun Fact: wie mir der Gutachter gestand, wollte er früher mal Modedesigner werden und konnte sehr präzise meine Bekleidung beschreiben. 🙂
Tipp 1 für andere Trans*Personen, die noch vor dem TSG-Verfahren stehen:
Das Thema Bekleidung / Auftreten im Gespräch macht neben eurer puren Authentizität sehr viel aus. Bemerkungen meines Gutachter wie “das ist ein sehr stimmiges Gesamtbild” sind im Grunde der Jackpot. Und ganz ehrlich? Ich persönlich fühle mich dressed up ohnehin wesentlich wohler als in Jogginghose. 🙂 Es macht das Leben und mich nicht nur hübscher, sondern macht es dem Gutachter (und damit uns selbst) auch einfacher, zu einem positiven Resultat zu kommen.
Tipp 2: echt, ehrlich und authentisch sein finde ich total wichtig. Denn meine weibliche Identität wurde mir problemlos “abgekauft”. Das klingt wie ein Versicherungsvertreter, so ist es aber nicht gemeint, da ich hier nichts verkauft habe, sondern nur über mein inneres Selbst gesprochen habe. Was ich meine ist: der Gutachter versucht zu beurteilen, wie “echt” der Wunsch nach einer Identitätsangleichung ist und ob (aus gesetzlicher Sicht) das Risiko besteht, dass man sich später umentscheidet. Wenn die begutachtete Person also in sich authentisch ist, ist alles easy.
Und man bedenke: ein Gutachtergespräch ist keine Prüfung! Es gibt keine objektiven Kriterien, anhand derer man “bestehen” oder “durchfallen” könnte. Das sagte mir der Gutachter auch ganz klar. Aber: wenn ihr euch mit euch selbst wohl und stimmig fühlt und offen und ehrlich über eure Situation sprecht, merkt natürlich auch ein Gutachter, dass man keine blurry Story erzählt.
Übrigens: hübsch darf man dabei aber trotzdem aussehen 😉
Zurück zu meinem Gespräch.
Satte 1 3/4 Stunde nahm das Ganze in Anspruch, war sehr wertschätzend und glich eher einem Gespräch als einer Befragung. Der Gutachter? Total entspannter Typ. 20 Jahre Erfahrung in dem Bereich und definitiv eine Empfehlung wert. Glücklicherweise kamen keine übergriffigen Fragen der Kategorie “Wie oft masturbieren Sie?”, von denen ich leider schon viel zu oft gelesen habe. Deutschland, hier hast du noch viiiel zu lernen! Viel mehr kann ich dazu eigentlich auch nicht sagen – ich habe etwas über meinen allgemeinen Werdegang erzählt, einige Entwicklungen in Punkto Transidentität angesprochen (z.B. wie es dazu kam, dass es im Juni 2020 alles so plötzlich und schnell ging). Der Rest steht ohnehin in meinem Lebenslauf und wurde nicht weiter besprochen.
Tja. That’s it, Baby! Damit ist der Rest des TSG-Verfahrens eigentlich nur noch reine Formsache und Warterei. Die Fertigstellung des Gutachtens dauert 2-3 Wochen, dann noch eben das Amen des Amtsgerichts und das war’s.
Interessant fand ich übrigens das Feedback des heutigen Gutachters zu meinem ersten Gutachter, dessen Verschriftlichung sich auf ca. 2-3 Seiten beschränkte. Es war sehr offensichtlich, dass er nicht viel von seiner Arbeit hielt und meinte gar, dass vielen Krankenkasse derart kurze Gutachten nicht ausreichen würden, um Anträge zu genehmigen. Ich bin mal gespannt auf seinen Gutachtenumfang…
Und jetzt?
Dann, mein liebes Tagebuch, bekommt jeder (Mensch*) von mir die rote Karte gezeigt, der mich noch beim alten Namen nennt. Denn dann bin ich auch vor dem Gesetz endlich, endlich Julia und weiblich. Ich kann’s noch gar nicht fassen, dass das in solch greifbarer Nähe ist. Grob rechne ich mal mit Ende März, Anfang April. Yippi!
Und daaann?
Daaann werde ich mit Freude zu allen Institutionen laufen und meinen Namen inklusive Anrede ändern lassen. Bürgerbüro (Perso), Bank, Versicherungen, Arbeitgeber, you name it. Auf Hormonmädchen.de gibt es übrigens eine schöne Liste, an was unsereins dann denken sollte. Eine schöne und lange Liste. Aber ich werde mit Freuden Schritt für Schritt abhaken!
Fußnote
* Mein Beitrag zum aktuell heiß diskutierten Thema “Gendern” in Bezug auf Schreibweisen: gerade in diesem Artikel fällt mir auf, wie wahnsinnig nervig und sperrig es beim Schreiben ist. Ich verstehe zwar die Gründe dafür und ich teile auch einige Aspekte davon. Bisweilen ist mir unsere deutsche Sprache auch zu männlich geprägt, da gefällt mir Englisch z.B. viel besser, da neutraler. Aber: man kann es auch echt übertreiben. Das Gender-Sternchen nehme ich dann und wann gerne mit, das finde ich sogar ganz niedlich. Es sei jedenfalls festgehalten, dass jegliche Bezeichnungen in diesem Blog gender-neutral zu betrachten sind. Siehe z.B. “Gutachter”. Amen.