Wir sind heute nach Füssen gefahren, um ein wenig durch die Innenstadt zu laufen. Nachdem der helle Nagellack nix taugt und ich ihn gestern abgemacht habe, wollte ich gerne eine andere Farbe haben. Etwas wirklich dezentes habe ich sonst nicht, also wurde es schwarz. Wobei ich schwer mit mir haderte. Wollte ich das wirklich? Oder welcher Agenda folgte ich da?
Es war ein komisches Gefühl.
Jedenfalls habe ich mich dazu entschieden, heute mal mit den deutlich auffälligeren Fingernägeln raus zu gehen. Und es war gut. Manchmal etwas mit Herzklopfen verbunden, aber ich habe versucht, ganz normal unterwegs zu sein, wobei mir die Kinder auch viel halfen. Ich habe nicht aktiv den Blickkontakt der Menschen gesucht, aber ich habe auch keine abfälligen Blicke wahrgenommen. Insofern werte ich das mal als Erfolg. Auch bei Einkäufen, wo ich Geld auf den Tresen legen musste, war alles easy. Dezent geht also. Schwarz auch. Dann kann ich mich demnächst mit weiteren Farben ausprobieren. Spätestens nach meinem Termin im Nagelstudio.
Nachdem ich bis heute Nachmittag einen ziemlichen Durchhänger hatte – mein männliches Spiegelbild in einer Schaufensterscheibe befeuerte diesen noch – geht es mir jetzt gerade minimal besser. Und ich fühle mich wieder weiblicher. Die vergangenen Tage fühlte ich mich stark in meine alte Rolle gedrängt, das gefällt mir nicht. Und es ließ mich an allem zweifeln. Sogar stellte ich mir die Frage, ob das Coming Out verfrüht war. Jetzt gerade sehe ich das wieder anders. Mit dem Coming Out bin ich im Reinen.
Außerdem hat sich ein Thread im Forum insofern entwickelt, als dass ich meine eigene Position langsam finden kann. Nämlich nicht mehr so sehr auf die Meinung anderer zu hören. Es ging im Thread viel um Toleranz, die die Trans*-Community bisweilen intern vermissen lässt. Ausgerechnet.
Bei einem TED-Talk, den ich heute sah, habe ich einen guten Spruch gefunden:
Ja, das stimmt. Remember this! Ich male mir ständig fürchterliche Dinge aus, die am Ende gar nicht schlimm sind. So wie die Füssen-Tour heute. Alles easy. Ich konnte sogar ein bisschen Schmuck und Frauenkleidung mit den Mädels anschauen.
Mein Vater scheint damit (vor allem mit meinen Fingernägeln) so seine Schwierigkeiten zu haben, er hat mir ja nahegelegt, das nicht nach außen zu tragen. Das macht mich gerade wütend. Mein eigener Vater fordert mich dazu auf, meine Identität zu verstecken, nur um konform zu sein! WFT!?
Das kann er ja gerne für sich selbst machen, ich persönlich will das für mich nicht mehr! Und der Nagellack ist ein erster Schritt. Ich merke, dass der Austausch mit ihm noch erschwert wird. Die Gespräche waren ja noch nie sonderlich reichhaltig und reflektiert, aber im Moment fällt es mir noch schwerer als sonst.
Aber immerhin beschämt er mich nicht konstant dafür.
Die Kinder haben das schon akzeptiert. Auch, dass ich bis auf meinen Rücken mangels Gelenkigkeit meinen gesamten Körper enthaart habe. Wie offen und flexibel Kinder doch sind…
Es ist großartig!