Ballons auf dem Wasser

Der heutige Tag brachte mich in meinem eigenen Zugehörigkeitsgefühl zur Frauenwelt einen gewaltigen Schritt weiter – geschehen im Lalandia, einem Freizeitbad an unserem Urlaubsort.

Ihr Lieben,

Grüße aus dem tiefenentspannten Dänemark!

Ja, seit Montag sind meine Kids und ich im Urlaub in Dänemark, direkt neben den Dünen und nur 100 Meter fußläufig vom kilometerlangen Strand der Nordseeküste entfernt. Zur Freude der beiden gehört ein kleines Schwimmbad zu unserer Anlage, in der wir schon so manche Stunde verbracht haben.

Heute ziehen graue Wolken über den kleinen Küstenort und spritzen dann und wann etwas Sprühregen auf uns herab. Ein perfekter Tag, um das große Freizeitbad Lalandia in der Nähe auszutesten. Wie alles hier in Dänemark ist auch diese Einrichtung unfassbar teuer. Für drei Tageskarten zahlten wir umgerechnet 114€, autsch! Allerdings hat das Bad auch einiges zu bieten: ein tolles (und volles) Wellenbad, diverse Wasserrutsche nebst einer Reifenrutschen, die ihrem Namen „Tornado“ alle Ehre macht und die wir aus naheliegenden Gründen nur einmal nutzten. Huiuiui.

Doch so teuer und bauchkribbelig der Tag im Lalandia heute auch war, so positiv war er für mich. Denn wie auch in unserem kleinen Schwimmbad in der Anlage, gibt es im Lalandia keine einzelnen Umkleidekabinen. Ich weiß nicht, ob die Dänen insgesamt weniger schambehaftet sind als wir Deutschen, aber scheinbar geht man hier mit dem Thema Nacktheit allgemein etwas entspannter um.

Also standen wir plötzlich in einer riesigen Sammelumkleide, durch die unzählige unbekleidete Frauen liefen. Und es schwang sofort für mich etwas in der Luft: „das ist das Normalste der Welt“. In diesem Moment wurde mir vor Augen geführt, wie verklemmt vieles in Deutschland abläuft. Nicht überall natürlich, aber rein tendenziell eben.
Wir packten unsere Sachen aus und in Anbetracht der Tatsache, dass wir unsere Badeanzüge daheim noch nicht angezogen hatten, mussten wir dem Klub der Unbekleideten zwangsläufig temporär beitreten. Da sich niemand um uns herum um uns kümmerte und ich auch nicht mehr als nötig beachtet wurde, fiel mir das erstaunlich leicht. Tatsächlich war ich in diesem Moment unfassbar stolz darauf, die GaOP bereits hinter mir zu haben und mich an diesem Ort aufhalten „zu dürfen“ – auch hier wieder nur eine unter vielen zu sein. Das tat sooo gut!

Noch intensiver wurde diese Erfahrung beim Verlassen des Lalandia, als wir uns zunächst noch abduschten und dann umzogen. Es war so einfach und normal, der Hammer! Nun habe ich keinen echten Vergleich, aber mein Gefühl ist, dass wir Frauen in Umkleiden entspannter mit unseren Körpern umgehen. Früher empfand ich die Stimmung in Herrenumkleiden immer sehr angespannt und irgendwie schambehaftet. Für die Frauen und Mädchen heute schien das überhaupt kein Thema zu sein. Und ich durfte mitten unter ihnen sein. Keine Ahnung, wie ich das anders beschreiben soll…es sollte doch ganz normal sein, bis heute war es das aber noch immer nicht so ganz für mich.

Spannend finde ich auch den Aspekt, dass mein mickriges 95AA-Körbchen außer mich niemanden störte. Eigentlich logisch…bei anderen Frauen stört mich das ja auch nicht. Durch die vielen unbekleideten Frauenkörper wurde mir heute aber noch einmal sehr deutlich vor Augen geführt, wie unterschiedlich unsere Körper sind. Und dennoch sind sie alle wundervoll, so wie sie sind. Auch meiner. Ich muss gestehen, dass dieser Realitätscheck heute wichtig für mich war und ich möglicherweise durch vermeintliche Schönheitsideale in den sozialen Medien geblendet wurde, obwohl mir dieser Mechanismus voll bewusst ist und ich dachte, ich könnte reflektiert damit umgehen.

Ein interessanter Gedanke beschäftigt mich seit vorhin. Vor zwei Tagen erhielt ich endlich die Zusage meiner Krankenkasse, dass sie die Kosten für den Brustaufbau übernehmen werden. Nun fehlt nur noch ein OP-Termin. Nach der Erfahrung heute merke ich allerdings, wie diese OP an Bedeutung für mich verliert. Ich will sie immer noch machen, das steht nicht in Frage. Aber das mache ich nun noch bewusster für mich selbst und nicht, um irgendwelchen Idealen zu entsprechen. Die Erfahrung in der Umkleide heute hat etwas in Bezug auf meine Genderdysphorie verändert. Zuletzt habe ich sie ohnehin nur noch schwach gespürt. Sie ist schon noch permanent vorhanden, das liegt aber mittlerweile vornehmlich an dem noch vorhandenen Bartschatten, der sich durch die Bartepilation eben nur langsam lichtet. Ich glaube, der heutige Tag hat mich in diesem Punkt aber weiter geerdet und innerlich entspannt.

Mal im Ernst: welchen besseren Beweis gibt es dafür, als Frau gesehen zu werden, als unbekleidet in einer Damenumkleide zu sein und als eine von ihnen gesehen und behandelt zu werden?

Na, vielleicht fehlt noch ein kleiner Mini-Schritt: wenn ich diesen Schwimmbadbesuch eines Tages ohne MakeUp erleben kann, dann ist die Sache für mich rund. Ja, mein MakeUp war wasserfest und hat selbst das Tauchen im Wellenbad überlebt, aber es schränkt dennoch ein wenig ein. Aber das sind Details…ich klage auf hohem Niveau, denke ich.

Unterm Strich bin ich super glücklich über das heute Erlebte und total dankbar, dass ich so sein darf, wie ich bin.
Ich muss noch ein bisschen schmunzeln, wenn ich mir vorstelle, wie abwegig dieses Szenario noch vor 3 Jahren gewesen wäre…

Doch, ich stelle mal wieder fest, dass dieser Weg genau der richtige war und ist…

Alles Liebe,
eure Julia

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