Zugfahrt

Noch so ein paar Beobachtungen auf meiner Zugfahrt, die unaufhaltsam auf mich einstürzen und nach Ausdruck verlangen. 

Energien stürzen auf mich ein. Alles wuselt umher, engt mich ein. Der fette Typ neben mir verströmt eine Platzhirsch-Aura, die mich abstößt. Doch uns trennen nur wenige Zentimeter auf den engen Bahnsitzen. Ich möchte mich übergeben. 

Frau-mit-heruntergerutschter-Brille, mir gegenüber, tippt energisch auf ihrem Smartphone, während Herr Platzhirsch mit den Fingern auf dem Tisch trommelt und seine Hand anschließend in seinen Schritt legt. Angewidert blicke ich aus dem Fenster und konzentriere mich auf ein vorbei rasendes Windrad und den erdrückend dunkelgrünen Wald, der in Schemen vorüber huscht. 

Eine Mama am Nachbartisch studiert das 1er-Zeugnis ihres Kindes. Dem Gesicht nach zu urteilen ein Junge, auf seine langen blonden Haare bin ich neidisch. Er hat volle Lippen, würde auch ein zauberhaftes Mädchen abgeben. 

Der Typ schräg gegenüber grinst seit Minuten grenzdebil, lugt dann und wann in sein Handy und blickt sich dann wieder im Abteil um. Seinen hellbraunen Lederschuh knickt er auf unnatürliche Weise schrägt ab. Ich fühle mich beobachtet. 

Die Brillen-Frau packt den dritten Gang aus, als wäre es das letzte Abendmahl. 

Ich will hier weg! 

Einzig die Musik in meinen Ohren hält mich beisammen. Trotz voller Lautstärke dringt die Stimme der Brillenfrau bis an mein Trommelfell. Sie steckt ihr Revier ab, mit ihrer gelb bedeckelten PET-Flasche, die beinahe an meinen Laptop stoßt und mir so verstehen gibt, dass das hier ihr Platz ist. Ich verstehe nicht, was sie sagt, aber sie sieht energisch und bestimmt aus. Irgend etwas Berufliches. Sie legt mit einem Finger auf, schnappt sich ihr Essen, irgendeine Ökopampe mit weißen Trauben, ihr klassisch-goldener Ehering glitzert im Neonlicht des Zugabteils. 

Die Kinder nebenan kauen synchron, Laugengebäck und Apfel. Das sieht süß aus. 

Platzhirsch trommelt erneut, patscht dann gelangweilt mit seinen dicken Fingern auf seinem Smartphone, die ungeöffnete Coke vor ihm. 

„Victorious“ dröhnt es aus meinen Kopfhörer. Ich muss lachen. 

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