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Liebe Julia,
manchmal habe ich das Gefühl, dass du Frau-Sein stark auf deine Körperlichkeit beziehst. Dabei hat Körper doch gar nichts mit Geschlechtsidentität zu tun. Wenn du in den Spiegel schaust, siehst du dich. Und weil du sagst, dass du eine Frau bist, siehst du dort nicht nur dich, sondern auch eine Frau. Frau-Sein hat nichts mit Körperlichkeit zu tun, sondern ergibt sich alleine durch eine Selbstzuschreibung bzw. Identifikation.
Beim Lesen deiner Texte sorge ich mich immer ein wenig, dass du stereotype Geschlechterbilder so stark verinnerlicht hast, dass du dir selber, als Frau die diesen toxischen Normen nicht entsprechen mag, damit viel Leid auferlegst.
Denke daran, dass es kein von natur aus männlich, weiblich oder maskulin, feminin gibt. Das sind alles gesellschaftliche Konstruktionen. Selbst die sex category ist nur eine soziale Konstruktion, die sich zwar auf Materialität und Körperlichkeit bezieht, aber dennoch sozial konstruiert ist.
Ohne zu weit in queer-feministische Theorie abzuschweifen wünsche ich dir natürlich dennoch, dass du deinen Körper weiterhin nach deinen Vorstellungen verändern kannst.
LG Thea
Liebe Thea,
lass mich deinen Eindruck ein wenig korrigieren, denn ich stimme dir in Teilen deiner Beobachtung nicht zu.
Wo du Recht hast ist, dass es sich vor allem in den letzten Monaten in meinem Blog stark um Körperlichkeit dreht. Und ja, Körperlichkeit spielt für meine ganz eigene empfundene Weiblichkeit eine bedeutsame Rolle.
Jetzt kommt das Aber: Ich denke, dass der Eindruck insofern verfälscht wird, als dass es hier im Blog natürlich auch oft um Themen geht, die mich aktuell belasten oder beschäftigen. Denn gerade auch Körperlichkeiten sind es, die bei mir Dysphorie auslösen – nur logisch also, daran zu arbeiten, dies auszudrücken und zu priorisieren. Themen der innerlich wahrgenommenen Weiblichkeit hatte ich eher zu Beginn der Transition und mittlerweile bin ich bei diesem Thema zunehmend mit mir im Reinen, daher thematisiere ich das an dieser Stelle nicht ganz so oft.
Die Körperlichkeit ist dabei aber nur ein Ausschnitt des Gesamtbildes. Ich sage immer, dass die Transition (und damit einhergehend auch meine Weiblichkeit) zu allerhöchstens 50% aus den körperlichen Veränderungen besteht. Der Großteil ist eine Veränderung der Psyche und allem, was damit einher geht. Also zum Beispiel auch die soziale Rolle.
Ich stimme dir aber zu, dass ich für mich eine innere Idee davon habe, wie ich mich selbst als Frau erlebe – in allen Aspekten. Diese Idee von mir – eben auch körperlich – hatte ich bereits in früher Kindheit, allein sie ging durch die Umstände fast 40 Jahre lang unter. Nun tritt sie entsprechend gereift wieder an die Oberfläche und verlangt nach Realisierung. Natürlich nicht blind und unreflektiert, sondern sehr bewusst.
Dabei spielen möglicherweise gewisse Stereotypen auch eine Rolle, die mir allerdings bisweilen als Leitplanke und Orientierungspunkt dienen, von dem aus ich mich selbst beobachten und finden kann. Ich gebe allerdings auch zu, dass ich manche weibliche Stereotype durchaus begrüßenswert finde und mich darin wiederfinden kann. Das mag meiner tendenziell eher konservativen Erziehung in Sachen Geschlechterrollen geschuldet sein, dass heißt aber nicht, dass ich mich damit nicht beschäftigen und es hinterfragen würde.
Und letztlich geht es doch darum, womit wir uns als Mensch wohl fühlen, oder? Egal, wo genau auf dem Gender-Spektrum wir uns verorten und wie wir es ausleben.
Liebe Grüße
Julia